Maria Solheim: Frail - Lieder verträumt wie kleine Spieluhren

Maria Solheim: Frail (Strange Ways / Indigo)

Es ist sicher kein Zufall, dass die Texte im Booklet zu Maria Solheims aktuellem Album „Frail“ auf fast hauchzartem Papier gedruckt sind. Es ist sicherlich ebenso wenig Zufall, dass wir als erstes erfahren, wie viele Tage im Jahr mit einem Schmerz und der Leere in der ausgestreckten Hand beginnen („Too Many Days“). Nicht genug? Auf die hehren Versprechen des scheinbaren Frühlings, auf Schutz und Nähe rieselt unablässig der kalte Schnee und bedeckt, was zart entspringen wollte. Davon singt diese junge Norwegerin mit ihren 22 Jahren, als hätte sie ihr gesamtes Leben lang das Denken zugunsten gefühlter Befindlichkeiten ausgesetzt. Zudem macht sie das nicht erst seit gestern. Lieder über Züge, die unter Wasser ihre Bahnen ziehen, oder leise tapsende nächtliche Schritte setzte sie schon auf dem leisen Vorgänger „Behind Closed Doors“ kongenial um. Manchmal klingen ihre Lieder verträumt wie kleine Spieluhren („Because I'm Dead“) oder verglühen nach einiger Zeit im Nachthimmel. Schaut man sich einmal vorsichtig um, was Produzent und ehemaliger Metaller/Glampunker (!) Emil Nikolaisen so an Tönen um die zierliche Frau auffährt, könnte es einem erst schwindelig, dann angst, dann bange werden. Doch von reinem Gitarrenalbum bei Liedermachers zu Hause keine Spur. Statt dessen Transparenz, reich an Nuancen, deren Klänge mal sachte aus den Boxen tropfen, in den Raum hinein schweben oder simpel Maria Solheims zarte Stimme umschmeicheln. Glockenspiele, Wurlitzersounds, Trompete, Tambourine und Trombone, Flötentöne, Congas und ein paar digitale Gehhilfen klingen nach einem Konglomerat, welches sich dem Overkill sachte nähern könnte. Wäre da nicht dieses ausgeprägte Fingerspitzengefühl in den Arrangements. Mehr kann manchmal tatsächlich sehr viel weniger sein. Schwach oder gar gebrechlich? Dem Titel kommt das Album so gar nicht nach. Hinter der empfindsamen Fassade steht eine Frau, die, ihrer selbst sicher genug, zu reflektieren weiß. Eine, die, wie so viele Mädchen früher, viele Gedichte schrieb. Eine, die sich ohne Krampf zu einer Philosophin entwickelt hat. Eine, die uns substantiell, leise und doch lebendig daran teilhaben lässt. Vor allem eine, die uns zeigt, dass nicht nur das Glück romantisch sein kann. Diese Nachhilfe in kleinen Gefühlen ab dieser Woche live.