Broken Social Scene: unüberschaubarer Einsatz tönender Koloraturen

Broken Social Scene: s/t (City Slang / Rough Trade)

Irgendwann blasen Trompeten in fiebrigen Schlussakkorden und Fanfaren. Die Vorstellung ist vorüber. Schwer atmend rettet sich das zweite reguläre Broken Social Scene-Album hinter den fallenden Vorhang. Es ist nur der aufbrandende, rauschende Beifall, der jetzt fehlt. Applaus, der sich aus einer Anspannung löst, die sich während der vergangenen Stunde mehr und mehr aufgebaut hat. Ein energetischer, vielschichtiger Brocken musikalischer Bilder ist das geworden. Einer, der in seinen ersten Sekunden leise beginnt, mit dem Anspruch mühsam zu erwerbender Zugänglichkeit aber nicht lange hinter dem Berg hält. Pavement, Sonic Youth oder Dinosaur Jr.? Die Liste möglicher Referenzen scheint lang. Viel länger dagegen ist die Zahl an kleinen bis kleinsten Klangfragmenten, die sich nach und nach zu einer voluminösen Collage auftürmen. Dazwischen bestechen sie mit Melodien, wie Millionen sie wohl nie zu Hören bekommen werden. „7/4 (Shoreline)“ ist so eine. Auf dem schmalen Grat zwischen Genuss und Wahnsinn. „Kopfhörer only!“ möchte man ein Warnschild aufstellen. Dann marschiert diese liberale Kapelle einmal quer über deine Synapsen. Spuren hinterlassen sie an jeder Ecke fast. Rasseln, Scheppern, fließende Übergänge in Weiten, wo eben noch der staubig belegte Brocken Intellekt seine Hinterlassenschaften zurückließ. „Fire Eye'd Boy“ ist in jeder besseren Tanzhalle zu Hause und facht die ohnehin schon brennende Hütte ein weiteres Mal an. Könnte man sich Style Councils „Shout to the Top“ im Anschluss daran denken. Stattdessen und fast besser: „Windsurfing Nation“! Beat-Bastard! Hat Tricky endlich die Warp-Geschwindigkeit erfunden? Ein wackeliges Konstrukt, welches diese Schutzgemeinschaft für aufwändige Tonträger da fabriziert hat? Im Gegenteil! „Broken Social Scene“ ist derartig ineinander verwoben, dass man die oft zitierte „Summe der einzelnen Teile“ bemühen möchte. The Arcade Fire haben das Jahr in großem Stil eröffnet. Mit einem Feuerwerk aus schier unüberschaubarem Einsatz an absonderlich tönenden Koloraturen endet es. Definitiv eines der „Alben des Jahres“ 2005 – Der Live-Vorhang öffnet sich bald Anfang Dezember!