Cat Power: The Greatest - Dreh’ Dich nicht um

Cat Power: The Greatest (Matador / Indigo)

Früher war alles anders: Konzerte galten mit 30 Mark als „absurd überteuert“, man machte doofe Sprüche über Weißrussen, die sich bei minus 20 Grad die Nase abfroren, und Cat Power alias Chan Marshall stellte sich breitbeinig mit der Gitarre in den Wald, spielte Songs, die beinahe auseinander fielen, während im Hintergrund dazu sehr laute Grillen zirpten. Heute bezahlen Menschen über 100 Euro für ein Rolling Stones-Ticket, das Doofe-Sprüche-Machen funktioniert bei minus 12 Grad auch schlechter, und Cat Power hat mit Männern, die ihre Großväter sein könnten – die Gebrüder Hodges, die in den 70ern mit Al Green den souligen Memphis-Sound prägten – eine Rhythm-and-Blues-Platte aufgenommen. In Memphis, von allen Orten. Zwar erkennt man zum Auftakt noch das leise stolpernde Klavier, das war's dann aber auch mit der Erinnerung an alte Zeiten. Die dürre Lo-Fi-Kulisse ist einer opulenten Produktion (Streicher!) gewichen, und Chan Marshall hört sich beinahe fröhlich an, wenn sie über „Islands“ oder „Love and Communciation“ singt. Das verstörende Moment, das einen auf den Vorgängeralben wie „You Are Free“ oder „What Would The Community Think“ so sehr mitnahm, ist schlicht verschwunden. Stattdessen rollen die alten Könner der Jungen gewissermaßen den roten Teppich aus: Jeder Ton sitzt, die Band versteht sich blind. Das klingt alles zugegebenermaßen großartig (besonders bei „Love And Communication“, „The Greatest“) – und ist live bei den exklusiven Terminen von Marshall mit der Hi Rhythm Band in London (4. März, The Barbican) und Paris (8. März, Grand Rex) sicher ein denkwürdiges Erlebnis. Vielleicht hat Chan Marshall ja genau nach dieser Form von Sicherheit gesucht. Dass sie dafür ihre wütende, verletzte, Ich-brauche-niemanden!-Feurigkeit abgelegt hat, lässt einem am Ende dann aber doch ein wenig wehmütig werden.