Blumfeld: Verbotene Früchte – Von Verstand und Verständnis

Blumfeld: Verbotene Früchte (Sony BMG)

Diese Texte sprengen die Party: Minütlich flattern neue hämische Verrisse zum sechsten Blumfeld-Album herein. Alle haben den gleichen Tenor: Distelmeyer ist komplett gaga geworden. Zum Beweis werden schlimme Wörter wie „Schmetterling“, „Sträucher“, „Schnee“ oder etwa „Apfelmann“ angeführt. Der vor allem. Für manch Übereifrigen ist bei so viel „verquaster Naturlyrik“ die rechte Wikingjugend nur noch einen, pardon the pun, Katzensprung entfernt. Das lässt tief blicken. Aber liefert Distelmeyer den Lästerern das beste Hassargument nicht schon im ersten Song? Wo es heißt: „Ich singe, was ich seh'“. Nichts mit ironischer Brechung! Feiger Rückzug in die Natur! Skandal! Wirklich? Wer zuvor schon einmal hingehört hat, versteht den Aufschrei nicht so recht. Die Tiere („So lebe ich“), der Fluss („Sonntag“), der Baum („In der Wirklichkeit“) – alle begegneten einem bereits (spätestens) auf „Jenseits von Jedem“ oder „Old Nobody“. Für Distelmeyer findet mit diesem Album auch „so etwas wie eine ungeplante Trilogie“ ihren Abschluss. Aber das ist noch nicht einmal der springende Punkt. Wer die Einladung annimmt, für den öffnet sich „Verbotene Früchte“ wie jenes Buch im Regal, das man immer wieder hervorkramt. Weil man schon beim ersten Aufblättern ahnte, dass man die Geschichte(n) weiter schreiben kann. Weil etwas geschieht in der Gesellschaft von betagt tönenden Gitarren, beredten Bewusstseinsströmen, freundlichen Sitarklängen und einem Gesang, der wie Meersalz und Zimt riecht. Weil man das, was geschieht, am liebsten auffangen und in einen Safe einschließen will, auf dass es einem nie wieder entweicht. Weil man ohne jegliches Bedenken das schwerwiegende Wort Katharsis in die Waagschale werfen will. Aber man kann auch noch einmal sachlich werden: Für alle, die von den allgegenwärtigen Attrappen der Glückseligkeit noch nicht vollends sediert sind, ist dieses Album nicht weniger als ein Geschenk. Die Anderen mögen weiter schmollen. Oder sich das ganze auf der ausgiebigen Tour live zu Gemüte führen. Vielleicht ändert das den Blickwinkel.