Marillion: 3x Live-Doppelalben aus der guten alten Zeit

Marillion: Recital Of The Script / Live From Loreley / The Thieving Magpie [jeweils 2CD] (EMI)

„Recital…“ ist die chronologisch erste in einer Reihe von drei interessanten Doppel-CDs, die sämtlich Marillion live und mit ihrem Originalsänger Derek „Fish“ Dick zeigen. Denn es handelt sich hier um einen auf den April '83 zurückgehenden Auftritt aus dem „Hammy Odeon“ in London, das die Band zwei Tage hintereinander ausverkaufte. Dem Rezensenten lag bislang nur ein BBC-Radiomitschnitt aus ebenfalls etwa dieser Zeit vor, als die Band noch aufregend neu und ihr Frontmann – weit ab davon stumm wie ein Fish zu agieren – noch jedes zweite Stück mit liebevollen, minutenlang ausgesponnenen und teils ähnlich wie die folgenden Kompositionen in den Bann ziehenden „Storrrries“ anmoderierte. Ein Konzert aus genau dieser Phase, das Band und Frontnarr in Höchstform präsentiert – das Ganze in liebevoll überarbeiteter Tonqualität (as good as it gets) – das ist schon so etwas wie eine Wunscherfüllung und müsste viele Fans gerade der frühen Marillion sowie generell Genesis- und Neo Prog-Freunde ansprechen.

Interessanterweise ist hier eine der ersten dokumentierten Live-Aufführungen von „Grendel“ enthalten. Und einer der letzten Auftritte von Mick Pointer (drms) mit der Band. „Three Boats Down From The Candy“ soll bislang unveröffentlicht sein (auch wenn meinereiner definitiv schon eine Fassung davon irgendwo als B-Seite oder vom Reading Festival 'rumfliegen hat), auch „Charting The Single“ zielte selbstironisch schon mal als B-Seite auf die Top Of The Pops. Macht aber alles nichts, denn allein die enthaltenen Versionen von „The Web“ – bei dem sich Gitarrist Rothery in einen herrlichen Trip hineinsoliert – oder das 14-minütige, sich gen Irland verneigende „Forgotten Sons“ machen dieses Dokument hörenswert. Besitzenswert wird es überdies durch ein attraktives Booklet inklusive 2009, also mit dem Abstand vieler Jahre, von Fish verfasster Liner Notes. 2003 erschienen diese Aufnahmen übrigens bereits auf DVD.

Das '87 mitgeschnittene „Live From Loreley“ ist nur im direkten – unfairen – Vergleich mit „Recital“ das schwächere Live-Album, denn Repertoire (geprägt vom „Clutching At Straws“-Album), Spiellaune und Tonqualität der Remasters sind ebenfalls allererste Kajüte. Einen spannenden Krimi für sich bieten wieder die von Fish in der Retrospektive über 22 Jahre hinweg verfassten Booklet-Texte über diese, eine ihrer letzten in dieser Besetzung absolvierten Festival-Tour. Generell auffällig ist die relativ starke Präsenz des Hintergrundgesangs von Frau Cori Josias, vgl. z.B. bei „Incubus“ oder „Warm Wet Circles“. Schon legendär die Auschwitz-Ansage zu „White Russian“, opulent die auf 12 Minuten angewachsene Bühnenfassung der „Market Square Heroes“. Erstmals vollständig auf CD.

„La Gazza Ladra“ werden viele Marillion-Fans, denen die ersten Jahre der Band alles bedeuten und für die Steve Hogarth Abfall und Ketzerei ist, ohnehin im Schrank oder auf dem Marillen-Altar vorhalten. Wer den bereits '88 erschienenen Schwanen- bzw. Elsterngesang aber verpasst hat, wird sich über diese – im Vergleich zur Doppel-LP des Rezensenten – mit sehr transparentem Sound und hübschen Fotos im Booklet überzeugende Wiederveröffentlichung freuen.

Die Setlist weist naturgemäß etliche Übereinstimmungen mit „Recital“ und „Live From Loreley“ auf, aber beispielsweise „Waterhole“, „Blind Curve“ oder „Lords Of The Backstage“ rücken das „Misplaced Childhood“-Album angenehm in den Fokus. Leider kein Bonusmaterial und hier kein Rückblick von Fish.