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Gesehen! Tony Levin Band / 14.05.2006, Bonn, Brückenforum
Was 'n Bass, Mann!
Text: Carlo G. Reßler Live-Fotos: WIV-Entertainment
Unter Musikkritikern gilt er mit als der beste Rockbassist weltweit. Nicht umsonst
haben sich Bands wie King Crimson, Yes, Pink Floyd oder seit über 25 Jahren
auch Peter Gabriel bei Aufnahmen und Tourneen seine außergewöhnlichen
Basskünste gesichert. In den letzten Jahren hat der Mann mit der pflegeleichten
Frisur zudem exzellente Musiker als eigene Band um sich geschart. Nun ist Tony
Levin mit neuem Album auf kurzer Deutschlandvisite.
Sehr lange müssen die wenigen Fans im nicht besonders gut besuchten Brückenforum
warten, doch dann eröffnet sich ihnen ein satter Soundteppich einer hervorragend
eingespielten Band. Die Songs vom neuen "Resonator"-Album kommen meist
ziemlich keyboardlastig und heavy rüber, zeigen aber auch den Variationsreichtum
der fünf Musiker - und nicht zuletzt Tony Levins meisterhafte Handwerkskunst.
Da gibt es einen Ausflug in den Flamenco, jazzige Intermezzi, balladeske Parts
und natürlich diverse solistische Attacken. Tony Levin ist nicht nur das
Rückgrat der Band, seine warmen und teils witzigen Soundbreaks geben dem
kühlen Progsound auch die besondere Würze.
Er ist mehr als nur ein normaler Bassist, spätestens seit seiner King Crimson-Zeit
an der Seite von Robert Fripp gilt er in Fan- und Fachkreisen als die Institution
am Bass und als derjenige, der den Chapman Stick - ein Saiteninstrument, das nur
aus einem Griffbrett mit 8 bis 12 Saiten und Tonabnehmern besteht - weltweit mit am
besten spielt. Seine humorvolle, charismatische und fast schon hypnotisierende
Ausstrahlung fesselt jeden, der ihn einmal live erlebt hat. Ob im Tranceduett
mit dem herausragenden Jerry Marotta an den Double Drums mit eigener aufreizender
Stickfingertechnik oder solo am elektronischen Basscello mit Geigenbogen - dieser
virtuose Sound fasziniert, und der Bass wabbert immer dort nach, wo er ankommen
soll: tief im Becken der Zuhörer.
Ein wenig stört im Konzert allerdings der zum Teil doch sehr überflüssige
Gesang (Tony singt erstmals auf Tour selbst) und das oft vom musikalischen Kern
abschweifende Keyboardspiel (Larry Fast) sowie der Pianosound von Tonys Bruder
Pete. Ganz groß in Form ist an diesem Abend jedoch der schwarz sonnenbebrillte
Todd Rundgren-Gitarrist Jesse Gress. Mehrmals duelliert er sich so wunderbar abgestimmt
mit Tony, so dass dabei im wahrsten Sinne des Wortes die Saiten fliegen.
Neben jeder Menge eigener Stücke schwirrt plötzlich eine wunderbare
Rockvariante des "Hummelflugs" von Rimsky-Korsakov durch die Halle, gefolgt
von einer äußerst energiegeladenen Interpretation des Led Zeppelin-Klassikers
"When the Levee breaks". Nach einigen Encore-Stücken geht ein meisterhaftes
Handwerker-Konzert mit den obligatorischen Fotos zu Ende, die Spaßvogel
Levin bei all seinen Gigs von den Besuchern macht und auf seiner Homepage veröffentlicht:
denn ihm ist wichtig, wie ihn seine Fans sehen.