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Gesehen! Zappa plays Zappa / 21.05.2006, Düsseldorf, Philipshalle
Ganz der Zappa?
Text: Carlo R. Reßler Live-Fotos: Gommers Konzert
Wer kann das Werk eines der "Über-Väter" des Psychedelic-Rocks
überzeugender spielen als seine Söhne? Dies mag Ahmet und Dweezil Zappa
durch den Kopf gegangen sein, als sie gemeinsam mit Franks Ehefrau Gail beschlossen,
13 Jahre nach dem frühen Abgang von Frank Zappa in Eigenregie Teile seines
imposanten Werkes als eine "Tour de Frank" erstmalig seit 1993 in großen
Hallen live zu inszenieren. Ein mit Spannung erwartetes, schwieriges Wagnis, zumal
der Altmeister nie leichte Kost anbot und natürlich viele Fans das Unternehmen
mit Argusaugen beobachten.
Vom heute 36-jährigen Dweezil gibt es die berühmten Badebilder als Kind
im Spülbecken. Er stand bereits als Teenie 1984 gemeinsam mit dem stolzen
Daddy auf der Bühne, als der ihn das Solo für den Song "Sharleena"
spielen ließ. Seitdem ist viel Zeit vergangen, und die schwere Bürde,
der Spross des weltbekannten Bürgerschrecks zu sein, meistert er mittlerweile
mit Bravour. Längst ist er selbst ein beachteter Gitarrist und hat mit Soloalben
und seiner Rockband Z eigene Erfolge.
Nachdem die groß angekündigte "Tour de Frank" im letzten
Herbst komplett verschoben wurde, gab es nun in der mit knapp 4000 Fans gefüllten
Philipshalle einen neuen Anlauf. Als Auftakt zum fast vierstündigen (!) Marathonkonzert
steht ein Livefilm mit dem Meister von 1973 aus dem Club "Roxy" in Montana
auf dem Programm. Man sieht darin den schlecht genährten Kettenraucher Frank
beim Dirigieren seiner damaligen Band und beim Spielen einiger starker Gitarrensoli
in hervorragender Tonqualität.
Im nahtlosen Übergang betritt dann die 10-köpfige Band die breite Bühne,
jedoch ohne Ahmet Zappa, der eigentlich den Gesangspart übernehmen sollte.
Wie gerade im Film kehrt stattdessen der einst unehrenvoll entlassene Napoleon
Murphy Brock an Mikrophon, Flöte und Saxophon zurück. Seine voluminöse
Stimme klingt dabei genauso eindringlich wie vor 30 Jahren. Mit einigen Stücken
aus dem wohlbekannten "Apostrophe"-Album eröffnen Dweezil und seine
beiden Gitarristen den Abend in überwältigender, perfekt ausgesteuerter
Soundqualität. Je länger man dem etwas schüchtern wirkenden Sprössling
auf der Bühne zusieht und -hört, desto überzeugender mimt er optisch
und musikalisch (fast) ganz den Papa. Hager, mit Spitzbärtchen und gewellten
Zottelhaaren, dirigiert er seine Band, wie eben im Film noch der Meister himself.
Er selbst spielt die Gitarrenparts, z.B. von "The Idiot Bastard Son"
oder "Hungry Freaks, Daddy", vielleicht ein wenig mehr im Heavy-Stil
doch handwerklich fast ebenso brillant wie sein Vater. Zudem gibt die optimal
aufeinander eingespielte junge Band mit drei Gitarristen und zwei Keyboardern
den Klangeskapaden von Dweezil den nötigen warmen Rückhalt und und glänzt
mit überzeugendem Backgroundgesang, wie z.B. beim monströsen Song "King
Kong".
Nach kurzer Umbaupause wird die rechte und linke Flanke des schon sehr dynamischen
Livesounds nochmals durch berühmte Gastmusiker aus Zappas diversen Bands
verstärkt: Terry Bozzio als zweiter Drummer trommelt mit muskelbepacktem
Oberkörper wie ein Wilder u.a. sein berühmtes Drumsolo "The Black
Page" und singt mit voller Hingabe den Punksong "I am so Cute",
wunderschön von der Band begleitet. An der anderen Seite erscheint unter
tosendem Sonderapplaus als vierter Mann an den Gitarren noch "Stunt-Gitarrist"
Steve Vai. Er, den Zappa damals aufgrund seines absolut fehlerfreien Spielens
kompliziertester Riffs, in seine Band aufnahm, gilt auch als derjenige, der Dweezil
die ersten Griffe auf der Gitarre beibrachte. Für jeden Fan in der Halle
ist nun wunderschön mitzuerleben, wie sich Lehrmeister und Schüler heute
äußerst packende Duelle an den Saiten liefern.
Gegen Ende des voluminösen, doch in keinem Moment langweiligen Konzertes,
mit kurzen Ausflügen in die Frühzeiten der "Mothers Of Invention"
und vielen Freiräumen für exzessives Gitarrenspiel, z.B. bei der Interpretation
der Alben "Joe's Garage" oder "Sheik Yerbouti", hält
es schließlich kaum einen der „frankophilen“ Fans mehr auf den
nummerierten Sitzplätzen. Alles strömt vor die Bühne, um jubelnd
und tanzend dieses außergewöhnliche "Tribute to Frank" hautnah
mitzuerleben. Alles in allem ein Konzert mit Prädikat "Besondes wertvoll". Auch
wenn es keine alten Sketche der "Mothers" oder Ausflüge in Jazz-
und Klassikkompositionen des Altmeisters zu hören gibt: Sie werden nicht
wirklich vermisst an diesem Abend - und welche Band kann schon über 70 komplexe
Platten eines arbeitssüchtigen Lebenskünstlers in nur einem Konzert
berücksichtigen?!