Lambchop: OH (Ohio) - Da lauert etwas im Hintergrund

Lambchop:
OH (Ohio)
(City Slang / Universal)

Veränderung ist eine subtile Sache bei Lambchop. Kurt Wagner ist mittlerweile seit 15 Jahren Kopf und Frontmann dieses Musikerkollektivs aus Nashville. Wobei er sich selbst stets als Teil des Kollektivs und nicht als dessen Oberhaupt gesehen hat. Mit Album Nummer 10 hat er nun den Schritt heraus gewagt: er ist hervorgetreten aus dem Gefüge, hat die bisweilen über zwanzig Mann starke Besetzung auf einen kleinen Kern reduziert, hat Songs geschrieben und festgelegt, wie sie klingen sollen. Diese Abkehr der bewährten Herangehensweise, mit dem Entwurf eines Songs in den Proberaum zu gehen und ihn gemeinsam zu entwickeln, ist hörbar auf „OH (Ohio)“. Die Stücke sind klar strukturiert, die Instrumentierung mutet vergleichsweise enthaltsam an. Die Fokussierung auf Vergänglichkeit, Krankheit und Tod des letzten Albums „Damaged“ verliert sich ebenso wie die minimalistischen Pianostücke von „Is A Woman“ oder die Soul-Anleihen auf „Nixon“. Nichtsdestotrotz ist dies eine Lambchop-Platte. Vom ersten bis zum letzten Ton nicht weniger als ein weiteres Meisterwerk, der nächste Schritt im Gesamtkunstkosmos von Kurt Wagner. Die Veränderungen erfasst man am besten, wenn man einen verregneten Sonntag im Bett verbringt, „OH (Ohio)“ auf Dauerrepeat hört und zwischendurch vielleicht ältere Lambchop-Stücke auflegt. Dann kristallisiert sich irgendwann heraus: „OH (Ohio)“ ist das Lambchopsche Pop-Album. Die Stücke gehorchen einer Struktur, sind opulent und reduziert, herzzerreißend und herzerwärmend, traurig und tröstlich. Das nackte Paar auf und im Cover, gemalt von Wagners ehemaligem Kunstdozenten Michael Peed, und der Blick durchs Fenster hinter ihnen hinaus auf die Straße unterstreichen die Stimmung auf „OH (Ohio)“. Zärtlich, intim, verspielt – und doch lauert da noch etwas im Hintergrund, etwas Dunkles, Beängstigendes, Verstörendes, das es aber nicht in die eigene Intimität hineinschafft. Der verregnete Sonntag vergeht. Man weiß, die Welt ist immer noch da draußen hinter den Fenstern, aber eben nicht hier drinnen. Nach dem Hören von „OH (Ohio)“ bleibt dieses gute, wohlige Gefühl zurück, die letzten 50 Minuten etwas Schönes, Erhabenes erlebt zu haben. Aber wie immer bei Lambchop braucht es ein paar Durchläufe, bis sich dieses Album öffnet, aufblüht und seine ganze Pracht entfaltet. Ausdrücklich empfohlen seien an dieser Stelle die Konzerttermine von Ende Oktober bis Mitte November!