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Gesehen! Die Aeronauten / 16.11.06, Hamburg, Molotow - Präsentiert von POP FRONTAL
Guz nicht tot
Text: Sandra Kriebitzsch
Wer um 21:10 ein kleines Clubkonzert betritt, wähnt sich gemeinhin recht früh in der Zeit. Nicht
so an diesem Donnerstagabend im Hamburger Molotow, denn der Auftritt der Schweizer Aeronauten war zu
diesem Zeitpunkt bereits in vollem Gange. So fühlten wir uns ein wenig angesprochen, als Frontmann
Olifr Maurmann aka Guz "Alle machen Fehler, vor allem Du..." dem zahlreich anwesenden Publikum
entgegen schmetterte. Also fix rein in die Meute. Denn hier: Die Aeronauten! Da: wir.
Dass Aeronauten-Konzerte zu rauschenden Festen werden können, bei denen die Grenze zwischen dem "Die"
auf der Bühne und dem "Wir" im Publikum sich allmählich auflöst, wissen gewiefte
Aeronauten-Connaisseure seit langem. Und von der Sorte "einschlägige Fans" waren so einige da,
gemessen an der Vielzahl der Münder, deren Lippen sich die Texte mitsingend stetig bewegten. Selbst die
Lieder vom aktuellen Album "Hier: Die Aeronauten", die vornehmlich am Anfang des Sets dargeboten wurden,
saßen bereits ziemlich gut. Und als Guz vor dem Song "Punks nicht tot" in die Runde fragte,
ob denn jemand mal Punk gewesen sei, schallte ein zackiges "Jaaaaa, hier!" gen Bühne zurück.
"Und jetzt bist Du Web-Designer?", fragt Guz daraufhin einen schreienden Ex-Punker in der ersten Reihe. Um noch
mal eben das Klischee zu bedienen, dass alle Punks von früher inzwischen Web-Designer sind [immer noch besser
als Bullenschwein, ham wa allet schon erlebt. Der Wäbb-Master]. "Nee, Student!", tönt es
zurück. Und sowohl der folgende Dialog als auch das im Anschluss gespielte "Punks nicht tot"
über pixelschiebende Ex-Punks, die nachmittags die Kinder ihrer Freundin abholen müssen, zeigen
schlussendlich auch nur, dass keiner so recht weiß, was Punk heutzutage ist. Man frage
am besten im Hallenbad von Schaffhausen nach. Wer Schwimmbadwände mit Durchhalteparolen betagter
Jugendbewegungen beschmiert, scheint es zu wissen.
Wer aber auf jeden Fall nicht totzukriegen ist, sind die Aeronauten. Auch nach locker 15 Jahren im Geschäft
zeigen sie sich von ihrer erfrischenden, scheinbar nimmermüden Seite. Guz hat viel
zu sagen und bringt noch immer mit treffendem Wortwitz in und zwischen den Songs die Dinge auf den Punkt.
Welche Dinge? Alle. Und auch die Band präsentiert sich in Bestform: ob mit Punk-, Beat- oder angenehm groovenden
Ska-Rhythmen - die sechs Herren an Posaune, Trompete, Saxophon,
Gitarre, Bass und Schlagwerk halten das Partyvolk spielerisch bei Laune. Von traurigem Versagertum an den
Instrumenten wie zu Anfangszeiten kann wahrlich keine Rede mehr sein. Einer, der es wissen müsste, resümiert
das Konzert am Ende sogar mit "Das war fast muckermäßig!". Aber solange die Mucker dabei tanzen,
ist alles gut. Leichtfüßig auf der Stelle hüpfend oder in großen Rude-Boy-Schritten
bewegen sie sich über die Bühne. Da schwitzt der Guz, und die Menge versprüht Bier vor Freude.
Und wartet natürlich gespannt, welcher nächste "alte" Song noch in der Setlist lauert.
"Schnee" und "Eddie und ich" und "1-10" sind dabei. Und dann auch irgendwann
"Bettina", auch wenn man eigentlich keine Songs über Frauen spielen wollte. Aber da beim Thema
"Dieses Model aus Hamburg.... Ob die wohl hier ist?... Besser nicht..." eine attraktive Dame auf die
Bühne springt und sich zum Spontanmodeln anbietet, kann man nicht mehr anders. Wer wäre da schon gerne
tot. Und schließlich wird auch noch der Hit "Freundin" zum Besten gegeben, bei dem der
Punk-Student auf die Bühne kommt und mitsingt. Der wollte wohl ein Mädchen kennen lernen. Bleibt
eigentlich nur die eine Frage offen: warum haben sie nicht "Countrymusik" gespielt? Denn dafür
scheinen sich am Ende des Tages doch alle zu interessieren.