Zum einen enthält all dies natürlich – wie die meisten Märchen,
Regierungserklärungen und Konzertberichte - nur fünkchenweise Wahrheiten,
zum anderen aber sind Saga-Fans offensichtlich doch arg aus der Art geschlagen:
Schon am Tag vor dem Konzert ist die Bonner Altstadt von auf jedem Lackzentimeterchen
auf die kanadische Prog-Institution verweisenden Fahrzeugen aus aller Herren Länder
vollgestellt, darunter etwa der Fuhrpark des französischen Chapters der Saga-Fanatics.
Wir merken: Echte Saga-Enthusiasten reisen ihrer Band auf Tourneen selbst noch
über Ländergrenzen nach.
Dementsprechend gut gefüllt war dann auch abends das Brückenforum. Was
nicht zuletzt die Vorgruppe – und Grund unseres Hierseins – freute:
Alias Eye aus Mannheim haben sich mit zwei berückend schönen Alben ("Field
Of Names, 2001 und "A Different Point Of You", 2004) in die Herzen und
Plattensammlungen vieler Art-Rock-Freunde gespielt – und überdies in
eine Position, wo sie als Support für eine Saga-Tournee überhaupt in
Frage kommen. Vergangenes Jahr hatten ja noch Ray Wilson und A.C.T auf diesem
Karrieresprungbrett turnen dürfen, nun also Alias Eye, deren Motto ja immer
schon war "The Readiness Is All".
Obwohl nicht allzu viele aus dem Publikum sie gekannt haben dürften, gewann
das Quintett bald das Interesse und durch ihre von freundlichem Understatement
geprägte Art auch die Sympathien der Saga-Kohorten: "35 Minuten müsst
Ihr aushalten", warnte Sänger Philip Griffiths (Sohn von Martin Griffiths,
der schon mit Beggar's Opera Prog-Geschichte geschrieben hat). Seine Stimme, die
er auch in den Dienst der nicht weniger wunderbaren Poor Genetic Material stellt,
beeindruckte mit ihrer ziemlich einmaligen Verbindung von Power, Ausdruck und
gleichzeitig fast schon knabenchormäßiger Klarheit gut ersichtlich
auch die Saga-Fans, wie nach den ersten Takten etliche ungläubig und begeistert
nach unten klappende Unterkiefer um uns herum belegten.
Die Setlist:
1. "A Clown's Tale: Der feurige Opener des aktuellen Albums, dessen orientalische
Beschwingtheit auch live einen prächtigen Showstarter abgab.
2."Hybrid": Schlagwerker Ludwig Benedek entfesselt hier ein Rhythmusfeuerwerk
ohnegleichen - wenn es eine gelungene Verschmelzung von Marschmusik und Progrock
gibt, dann ist es der Mittelteil dieses fröhlichen Songs, bei dem auch Bassist
Frank Fischer brilliert.
3 "The Great Open" gab Gitarrist Matthias Richter reichlich Gelegenheit,
seine überragende Technik, darunter rasantes "Van Halen"-Tapping
und abgedeckt "shuffelndes" Rhythmusspiel zu demonstrieren. Der Mann
quetscht seine ESP förmlich aus, sein Spiel bleibt dabei aber stets melodiös
und seine Miene auch in den wildesten Passagen unangestrengt.
4. "The Readiness Is All": In dieses vertonte Shakespeare-Zitat (Bereit
sein ist alles) wurden live Zitate aus "Time Machine" eingefügt
– dem wohl größten Erfolg von Beggar's Opera mit seinem süß
singenden Leadgitarren-Thema. Dieses Treffen der Prog-Generationen klingt sehr
harmonisch.
5. "On The Fringe" - eines der stärksten Stücke der Formation
- wurde genau wie auf Platte auch live mit einem ehrfurchtgebietenden Didgeridoo-Part
(seitens Philip) eingeleitet.
6. "Premortal Dance" mit wunderbarer Pianobegleitung von Vytas Lemke
ließ den ersten Teil des Konzertes auf einer eindringlichen, fast flehentlichen
Note ausklingen.
Da auch der Sound ausgewogen, druckvoll und doch klarzeichnend war, kann man sagen,
dass aus so einer (Support Act-) Situation bis auf das etwas funzelige Bühnenlicht
wohl überhaupt nicht mehr herauszuholen ist. Überraschend warmer Applaus
belohnte eine der sympathischsten Formationen im ganzen ProgRock-Zirkus. Von diesem
"Philly"sound gerne mehr, und möglichst abendfüllend!
Doch da waren ja auch noch die Headliner. Als Eher-Gar-Nicht-Saga-Anhänger
wollen wir's kurz machen: Diese Tour war für den Fantross komplett unwiderstehlich,
denn obwohl man mit "Network" ein flammenneues Album zu promoten hat,
wurde Abend für Abend das komplette Album "Worlds Apart" von 1981
zu Gehör gebracht, das mit "On The Loose", No Regrets" oder
"No Stranger" etliche Hits der Combo enthält. Positiv auffallend
war in jedem Fall die kurze Umbaupause sowie die beim Top Act durch zahlreiche
Projektionswände im Hintergrund der eigentlich eher kleinen Bühne aufgepeppte
Lightshow. Und der Neuzugang am Drumkit, Christian Simpson, sieht gar nicht so
aus wie einer der Simpsons und macht seine Sache gut.
Soweit die noch objektivierbaren Facts, denn zu
den Klängen von "On The Loose" haben wir dann alsbald und gerne die
Halle verlassen. Bleibt ja bekanntlich alles Geschmackssache, aber zumindest der Rezensent wollte sich die
wunderschönen Toneindrücke und Bilder von Alias Eye nicht durch das
mit stolzgeschwelltem Bauch direkt über mir stattfindende Stage Acting von
Schmierlappen Jim Gilmour verderben.
Zum Ausgleich dafür hier aber noch das aktuelle Kurzinterview mit Philip
Griffith:
Was soll (wenn überhaupt etwas) eigentlich "Alias Eye" bedeuten?
Phil: Ohh... Philosophie zu solch später Stund! Alias bedeutet in der Übersetzung
ja "Pseudonym"; Eye liest sich wie I - Ich - und Eye - Auge. Es geht
also um Selbstfindungsprozesse in einer Gesellschaft, die sich primär auf visuelle
Stimuli konzentriert. Clever, oder?
Du hast dich - ganz Gentleman - am Ende der Show ausdrücklich bei der Crew
für tolles Licht (na ja) und Sound bedankt. Wie seid ihr generell von Saga
und der Tourcrew behandelt worden?
Phil: Sehr gut! Wir durften eigentlich alles benutzen (außer der Geilomeilo-Lightshow
natürlich), unser Mischer hat immer genug Zeit beim Soundcheck gehabt, um
uns optimal abzumischen. Er durfte sogar die Saga-Effektgeräte mitbenutzen.
Das nenne ich kollegial.
Auf der Homepage von Alias Eye findet sich übrigens ein sehr lesenswerter
Tourbericht mit schönen Fotos zu Alias Eye und Saga.
>> Zur Foto-Galerie
Links:
>> Tourinfo Alias Eye bei POP FRONTAL
>> Homepage Alias Eye
>> Alias Eye - A Different Point Of You: Reinhören und Kaufen bei amazon.de
>> Tourinfo Saga bei POP FRONTAL
>> Rezension (24.09.04): Saga - Network
>> Homepage Saga
>> Saga - Network: Reinhören und Kaufen bei amazon.de
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