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Gesehen! Eddie Jobson, The U-Z Project / 19.08.2011, Zoetermeer (NL), Boerderij
Die erste Geige des Prog
Text/Live-Fotos: Klaus Reckert
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Für seine Anhänger hat er immer die erste Geige im Progrock gespielt. Da machen selbst die 30 Jahre nichts aus, die Eddie Jobson beispielsweise in den Niederlanden nicht live aufgetreten ist. Die Fanbase wusste sich immer schon zu helfen. So wurden auch an diesem Abend in der Boerderij einige Fans vom Meister von der Bühne aus begrüßt, die für diese Show extra aus Tokio angereist waren. Auch wenn wir es nicht ganz so weit hatten, war die Freude doch beträchtlich, die jüngste Formation dieser lebenden Prog-Legende (u.a. Curved Air, Jethro Tull, King Crimson ["USA"-Album], Roxy Music [hier Nachfolger von Brian Eno], Frank Zappa) bei einem ihrer seltenen Konzerte auf dem Kontinent erleben zu dürfen.
Der Name "U-Z" spielt übrigens mit den Buchstaben einiger seiner eigenen bisherigen Bands UK, UKZ und Zync. Partners in Crime
sind derzeit Marco Minnemann (drms), Marc Bonilla (voc, bss) und Alex Machacek (guit). Das Intro, bei dem Eddies in magischem Grün leuchtende, legendäre Plastik-Violine mal nach besagten Curved Air und mal - mit dem Bogen geschlagen - nach einem abhebenden Kampfjet klang, ließ an Dramatik schon nichts zu wünschen übrig. Mit "Cesar’s Palace Blues" schloss sich direkt eines der UK-Highlights an. Zwei Dinge fielen besonders auf: Trotz optisch unauffälliger PA hat der Rezensent selten einen bei angemessener Lautstärke so klaren Sound und vor allem derartig markerschütternde Bässe inklusive Bodenschall erlebt. Angesichts von Marc Bonillas Leistung an Bass und Gesang - und eingedenk der betrüblichen Mucke, die John Wetton heute macht - kann man Jobson nur beglückwünschen, dass er sich diesen großartigen Musiker u.a. von Keith Emerson "ausleihen" konnte, wo Marc übrigens sehr achtbar Gitarre spielt.
Beim folgenden UK-Evergreen "In The Dead Of Night" gab Gitarrist Alex Machacek eine Jazz-Fusion-getränkte Visitenkarte ab. Mit der konnte der Österreicher eindrucksvoll belegen, warum er sich in u.a. Allan Holdsworths Schuhen nicht unwohl zu fühlen braucht. Das Konzert hielt hohes Tempo und Unterhaltungswert. Des Kapellmeisters erst jetzt erfolgende Begrüßung und Ansage erläuterte ein wenig das Konzept hinter U-Z: "Wir spielen Stücke, nicht etwa, weil ich etwas mit ihrer Entstehung zu tun hatte. Sondern weil wir sie spielen können. Und andere nicht". Das entwaffnende Grinsen dabei in Eddies ziemlich abgerocktem Gesicht verwandelte, was Arroganz hätte sein können, in nur zu berechtigtes Selbstvertrauen. Diesbezügliche etwaige Zweifel räumte die herrlich treibende, fast swingende Version von Emerson Lake & Palmers "Bitches Crystal" aus. Die hübsche Ballade "Carrying No Cross" lieferte eine willkommene Atempause und leitete kongenial zu "One More Red Nightmare" über. Bei diesem Anlass bewies der charismatische Bandleader, dass man auch einen Geigenbogen wie Drumsticks um die Finger kreisen lassen und damit auch eine Band dirigieren kann - letzteres womöglich eine kleine Verbeugung vor Frank Zappa.
Bei "Nevermore" mühte sich Bonilla etwas an den Kopfstimmenparts, während Jobson rasende Rhodes-Läufe à la George Duke unternahm. Nächster Programmpunkt war das große Keyboardsolo. Zunächst mit Drummachine-Rhythmen unterlegte Panflöten-Lyrik bot gottlob nur die Ouvertüre zu konzertantem "Flügel"-Spiel und Synthesizer-Soli, die belegen, dass Jobson hier immer noch neben Emerson, Wakeman und (ehedem) Jürgen Fritz zu den ganz Großen gehört.
Nach dem Solospot setzte sich Jobson an den kaum beleuchteten Bühnenrand und konzentrierte sich ganz auf das folgende Schlagzeugsolo. Der ungemein sympathische, so virtuos wie athletisch spielende Minnemann lachte und lächelte beim Drummen mehr, als wir das von sonstwem kennen würden. Und er hat auch gut lachen: Nach dem zu keiner Sekunde langweilenden Feuerwerk versteht man besser, warum der in den USA lebende Deutsche einer der gefragtesten Schlagzeuger der Welt ist. Und warum auf dem Merch-Tisch so viele Minnemann-Scheiben erhältlich waren (und leider nur so wenig Eddie Jobson-Material: von UKZs "Radiation" etwa hatte die charmante Tischhüterin beispielsweise noch nie gehört). Wie auch immer: dieser Schlagwerker ist so gut, dass er sogar in den wildesten Rolls so tun kann, als ob er einen Stick verliert - was natürlich nicht passierte.
Die dramatischen Fanfaren von "Alaska" und die gedoppelten Passagen von Bass und Synthesizer brachten den Boerderij-Boden wieder zum Beben. Mit "The Only Thing She Needs" wäre das bislang heißeste Konzert des Jahres vorbei gewesen. Wenn das Publikum der beinahe komplett gefüllten Kult(ur)stätte nicht Zugaben erbrüllt und erhalten hätte: Das unheilvolle Geigenmotiv verrät "Red", das Jobson schon, ebenso wie den zweiten Teil von "Larks' Tongues in Aspic", mit dem King Crimson Project gespielt hatte - Kultalarm! Bill Brufords "Sahara Of Snow, Pt. II" tröstete mit einem irrwitzigen Gitarrensolo über den nun leider endgültigen Abschied hinweg. Dem Publikumsgetobe nach sollten Eddie Jobson und U-Z bis zum nächsten Mal nicht wieder 30 Jahre vergehen lassen...