Gert Lange hat die Hamburg Blues Band (HBB) 1982 gegründet. Als "Geburtstagsgabe" schenkt sich die Ausnahme-Bluesrock-Formation das ganze 30. Dienstjahr lang Gigs der Extraklasse mit mehreren "Special Guests", die diesen Namen wirklich mal verdienen. Am 19.01. in der Bonner Harmonie war dies für das erste Set Chris Farlowe (u.a. Colosseum), wunderbar und schon aus einigen Vorjahren bewährt. Set 2 aber wurde von Arthur Brown, dem "God Of Hellfire" mit Esprit und "Höllenfeuer" gekrönt. Doch die allerersten Songs musste Rhythmus-Gitarrist und Sänger Gert sogar noch ganz ohne Brit-Blues-Diven bestreiten, wofür er sich mit einem Strohhütchen wappnete.
Solcherart - sowie vom mehr als warmen Empfang der nahezu ausverkauften Harmonie - gestärkt kamen Songs wie das rollende "Make My Day" denn auch oberamtlich über die hier ohnehin publikumsfreundlich niedrige Rampe. "Make Love Strong" nahm gekonnt wieder etwas Fahrt heraus, prangte aber mit einem starken Hammond-Solo von Adrian Askew. So war die Bühne bestens bereitet für Mr. Farlowe, der sich nicht nur "Crazy 'Bout My Baby" zeigte, sondern auch mal wieder in schönster Mitteilungslaune: Gerade erst sei er dem Krankenhaus entronnen, in das ihn bösartige Bandscheibenvorfälle verbannt hatten. Nur die Krankenschwestern (ahnungsvolles Gelächter im Publikum) sowie die Morphium-Tabletten hätten ihn überleben lassen. Diese Pillen zogen sich natürlich im Folgenden als Running Gag durch den restlichen Auftritt...
Doch zuvor musste der Honkytonk von "Fog On The Highway" sowie mit "Shakey Ground" sogar unsicheres Gelände durchkämpft werden. "Don't Wanna Love You Anymore" hieß es dann sogar, wobei das Publikum dem alten Schwerenöter Farlowe diesen Liebesentzug wohl niemals abnehmen würde. Ungläubig schauten wir auch bei folgender kleiner Szene: Bassist Michael "Bexi" Becker kämpfte sich in einer Spielpause zum Tresen durch, wo er von der ihn nicht erkennenden männlichen Thekenschlampe zur Bezahlung des georderten Biers aufgefordert wurde! "As Easy As That" und "All Or Nothing" (als Ehrbezeugung für Steve Marriott von Small Faces oder Humble Pie, bei welchletzterer Band ja auch Clem Clempson gespielt hat) leiteten schon das Ende des ersten Sets ein. Auf die Fortsetzung schwor Farlowe (Baujahr 1940) ein, indem er das Auditorium nach Art eines Bühnennarren ins Vertrauen nahm und darauf vorbereitete, dass der später auftretende Arthur Brown (Geburtsjahr 1942) ja schon ziemlich alt sei...
Doch nicht zu alt für den ultimativen Bühneninstinkt: Nach der Pause erklomm der ehemalige Gott des Höllenfeuers die Bonner Bühne. Heute nicht mehr mit einem Helm, aus dem Flammen züngeln, doch dafür standen ihm Stock und Hut gut - konkret mehr eine Art Kaftan oder Ganzkörper-Burka! Zunächst noch komplett verhüllt präsentierte er dem verdutzten Publikum eine besonders unheilverkündende Version von Dylans "A Hard Rain's A-Gonna Fall". "Fire" war mal eine der ersten Singles gewesen, die sich unsereiner im frühen Pleistozän zugelegt hatte. Obschon also durchaus als früher Fan anzusprechen, hätte der Rezensent doch nicht erwartet, dass Mr. Browns Stimme über die Jahrzehnte sogar noch besser geworden ist. Er deckt locker mehrere Oktaven ab, von bösem Grollen bis hin zu wirklich markerschütternden Schreien. Die uns nun auf den wunderbar swingenden "Devil's Grip" führten, gefolgt vom Voodoo-Zauber des "I Put A Spell On You". Den bringt er nicht schlechter als Screamin' Jay Hawkins.
Die Sonny Boy Williamson-Nummer "Eyesight To The Blind" brachte traditionelleren Blues sowie Gert Lange zurück auf die Bühne. Peter Greens "Green Manalishi" gab nun Anlass zu Erinnerungen an die >> einst live genossene Fassung vom Autoren selbst - und überzeugte sogar noch mehr als diese. Der alte Crazy World Of Arthur Brown-Klopfer "Nightmare" geriet angenehm nostalgisch, während manch einer bei der Ansage von "Please Don't Let Me Be Misunderstood" meinte, auf die Kamelle doch eigentlich lieber verzichten zu können. Misunderstood, denn es ist unglaublich, was diese Formation aus diesem Material für Funken zu schlagen versteht. Mr. Browns Zappeltänze - vgl. Fotogalerie - wurden jetzt noch irrwitziger: "Solltet Ihr auch tun. Man kann dann ruhig fett essen und verbrennt es dann einfach". Den Höhepunkt bildete ein Clempson-Solo der Marke Gänsehaut. "Fire" ruft auch heute noch Feuerstürme hervor. Für die soulige Zugabe "That's How Strong My Love Is" und ein Duett mit Arthur Brown verließ Chris dann noch mal die Pillen in der Garderobe, was ein hinreißendes Konzert würdig beschloss. Egal in welcher Kombination - wenn die HBB in Eure Stadt kommt, dann schaut Euch das an!
Übrigens sind für das ganze Jubiläumsjahr "Specials" mit Freunden und Wegbegleitern der letzten 30 Jahre geplant. Darüber hinaus wird die HBB gemeinsam mit dem Staatsorchester Braunschweig das Stück "Three Pieces For Bluesband & Orchestra" (vgl. Siegel-Schwall Band) in vier deutschen Städten aufführen.