Zum Vergrößern der Fotos bitte auf die Bilder klicken!
Das erstaunliche Line-Up vom Vorjahr konnte es nicht übertreffen.
Trotzdem: Das neunte Highfield wurde trotz zweier
Unwetterwarnungen wieder eine überaus erbauliche Angelegenheit -
das nette Festival von nebenan, mit Badesee und Wellness-Schwimmbad,
freundlichem Security-Personal, nur einer Bühne und gerade noch
angenehmen 20.000 Besuchern.
Alles
fängt schon ganz passend an: Just in dem Moment, in dem an der
Haltestelle am Badesee wieder eine Fuhre Festivalbesucher aus einem
Bus der Erfurter Verkehrsbetriebe aussteigt, beginnt es zu regnen.
Noch tropft es sachte auf die Köpfe, Kapuzenpullis und
Rucksäcke, aber der bedeckte Himmel macht schon mal klar: In
diesem Jahr kommt Ihr da unten nicht so leicht davon.
Mühsamer
als im letzten Jahr gestaltet sich auch die Suche nach einem
Plätzchen fürs eigene Zelt. Freitagmittag ist es, kurz vor
1 Uhr, aber für die letzten freien Rasenflächen müssen
die Neuankömmlinge schon bis ans Ende des Campinggeländes
laufen. Ärger bei den schwer Beladenen über die
Parkplatzwächter, die trotzdem stur jedes Auto in die entgegen
gesetzte Richtung schicken. Festivals besuchen bringt also nicht nur
Bierbauch, sondern auch Muckis. Die Profis ziehen ihre Habseligkeiten
auf Bollerwägen übers Gelände.
Während die Allermeisten noch Zeltschnüre spannen und zischend die
ersten Dosen "5,0"-Bier öffnen (mit seligem
Endlich-wieder-Dosenbier-Lächeln im Gesicht), eröffnen die
Trashmonkeys die neunte Ausgabe des Highfield-Festivals.
Auch die Futureheads,
die 2005 schon so früh ran durften, spielen noch vor sehr
überschaubarem Publikum. Ein klein wenig voller wird es dann
aber zumindest bei den Weakerthans.
Eine viel zu kurze Dreiviertelstunde, viel zu früh am Tag,
gehört das Gelände diesen großartigen Jungs aus
Kanada. Sie hätten wahrlich einen besseren Platz im Line-Up
verdient gehabt, vielleicht gehören sie aber auch einfach in
einen kleineren, konzentrierteren Rahmen. Zum Schluss bekommen sie
Bläser-Unterstützung von Broken
Social Scene, den Landsleuten, die
danach dran sind. Vom musikalischen Niveau her ein gelungener,
fließender Übergang.
Die erste größere Sause des Wochenendes liefern dann die
Eagles Of Death Metal,
die erstaunlich viele junge Fans anziehen. Endlich darf gerockt
werden, scheinen sich viele zu denken, "Schüttel dein Haar
für mich", denken sich andere und wenden sich den auf
wackeligen Gaskochern erhitzten Ravioli zu. Panic!
At The Disco, die im Anschluss
auflaufen, kämpfen ein wenig mit dem Ton - oder sie sind
Festivals noch nicht so gewohnt. Man hat jedenfalls den Eindruck, die
könnten deutlich besser klingen. Einiges Staunen dann, als die
jungen Herren erst "Karma Police" von Radiohead und wenig
später "Tonight, Tonight" von den Smashing Pumpkins
covern. Man weiß nicht genau, ob die Empörung ob dieser
anmaßenden Frechheit größer ist oder das Mitleid
darüber, dass die so genannten Senkrechtstarter so etwas nötig
haben. Wie auch immer: Sowas macht man in dem Alter einfach nicht,
Jungs. Kann nur schief gehen.
Diese zwei Taten stellten übrigens, wie man später merken sollte,
nur den Auftakt zu einem wahren Coverfestival dar. Die Beatsteaks
versuchten sich nicht nur wie so oft an Manowar, sondern auch an "No
one knows" - wodurch die Gesangsqualitäten von Josh Homme,
der diesen Song im Jahr zuvor hier lieferte, noch einmal stärker
leuchteten. Die Dresden Dolls nahmen "Everyday I Love You Less
And Less" von den am selben Abend auftretenden Kaiser Chiefs
vorweg, und Fettes Brot brachten "Nordisch By Nature" unter
anderem im "Don't worry be happy"-Gewand.
Doch
zurück zum Freitag, über den sich endlich die Dunkelheit
der anbrechenden Nacht legt - Festivalauftritte in der trägen
Nachmittagssonne haben ihren Reiz, aber wirklich wach wird man doch
erst, wenn die Lightshow sichtbar wird. Coheed
And Cambria reizen
da noch nicht alles aus. Das singende Wollknäuel und seine
ähnlich wirre und geniale Band waren schon 2005 hier und sind
wohl auch nur erneut gekommen, um die abgesagten Gigs beim Hurricane
und Southside wiedergutzumachen. Musikalisch gewohnt perfekt - aber
auf und vor der Bühne langweilt man sich dann doch ab und zu ein
klein wenig: Zeit, sich mal die umstehenden Gesichter und
Indie-Dresscodes anzusehen.
Keine Chance zu solchen Studien lassen anschließend die Beatsteaks,
Hauptact des ersten Festivaltages und unbestrittener Höhepunkt.
Es ist der einzige Deutschlandauftritt der finally erfolgreichen
Berliner, und den prügeln sie durch von der ersten bis zur
letzten Minute. Sänger Arnim sieht prollig aus, als sei er
direkt vom Kottbusser Tor gekommen, muss aufpassen, nicht noch
arroganter rüber zu kommen und hat Tausende vor der Bühne
im Griff wie die Hundert im Club vor fünf Jahren. Weil die Menge
vor dem ersten Wellenbrecher der Security offenbar zu viel springt
oder liegt, statt zu stehen, unterbricht er sogar ganz kurz das
Konzert. Verloren gegangene Schneidezähne werden nach
Festivalende im "Gasthof Seeblick" abgegeben.
In den Samstag starten Frühaufsteher mit Newcomerbands: Jenix
und Zox machen den Anfang, es folgen Wolfmother
mit jämmerlichem Classic Rock, dessen Festival-Live-Darbietung 2007
bitte wieder auf die Kurfestspiele namens "Rock am Ring"
beschränkt bleiben sollte. Die ein paar hundert Menschen
umfassende Warteschlange am Eingang des benachbarten Schwimmbades
spricht für sich. Die durchaus zahlenmäßig
wahrnehmbaren Fans der danach spielenden CKY
tragen Band-T-Shirts mit dem Aufdruck "FuCKYou". Mehr ist auch
dazu eigentlich nicht zu sagen.
Den intellektuellen Höhepunkt des bierseligen Wochenendes stellen
anschließend The Dresden Dolls dar.
Einsam und verloren stehen sie auf der gewaltigen Bühne,
erinnern manchmal an die Geschwister White und häufiger an
Kabarettvorstellungen vergangener Jahrhunderte. Das macht einen
Riesenspaß, ist allerdings nur schwer tanzbar und muss für
verkaterte Köpfe ein furchtbares Martyrium sein. Bis auf den
Mittelteil trifft das auch auf Danko Jones zu,
diesen herrlichen Angeber: Die beiden Kameramänner fordert er
auf, mal einen Schwenk übers applaudierende Publikum zu machen,
um nach Sekunden die Linsen wieder empört zu sich zu dirigieren:
"Now back to me! Hey! HEY! BACK TO ME!!" Da Danko Jones so
plump und großmäulig die Erwartungen an straighte
Rock'n'Roll-Hits bedient, darf hier auch mal in die Phrasenhölle
hinab gestiegen werden, um den Auftritt zu beschreiben: Das waren
einfach mal Bretter, die der gute Mann da gehauen hat.
Der Running Gag: "Hallo, wir sind Tomte aus Hamburg", stellen
sich nun Kettcar vor und liefern damit die Antwort auf die umgedrehte Ansage, die Thees
Uhlmann vor einem Jahr hier gemacht hat. Natürlich beginnt das
Set mit "Deiche", natürlich staunen Kettcar noch immer
über jeden Applaus, und natürlich sind auch hier wieder die
versonnenen Gesichter zu sehen, die Liebe zur Musik, die
bedeutungsschwanger und gemeinsam gerauchten Zigaretten. Zum
Abschluss gibt es die Akustikversion von "Balu", die
diesmal besonders bezaubernd ist: Ist Wiebusch mit einer Strophe
fertig, gibt es "Szenenapplaus" und Jubel aus der Menge,
die ansonsten so unheimlich still ist, wie in keinem anderen Moment
des Wochenendes. "I will remember", sagt der sichtlich
beeindruckte Marcus Wiebusch zum Schluss, und zusammen mit seiner
Ankündigung vom Anfang, dies sei für längere Zeit das
letzte Kettcar-Konzert, ist das hier schon jetzt der bewegendste
Augenblick des Festivals.
Bevor Less Than Jake
weitermachen, verlassen so viele Menschen das Gelände (und strömen so
wenige in die andere Richtung), dass man sich ernsthaft fragt, ob die
Veranstalter diese Band so geschickt im Line-Up platziert haben,
damit die armen Festivalgänger mal endlich etwas Festes (vulgo
Ravioli) zwischen die Zähne bekommen. Denn anschließend
bei Fettes Brot sind,
so scheint's, alle 20.000 zugleich vor der Bühne. Und sie
bekommen natürlich ordentlich was zu tun: Mitgehen, Abgehen, was
anderes bleibt kaum übrig bei den haufenweise Hits, die die nie
so richtig ernst genommenen Hamburger mittlerweile am Start haben.
Vor dem Auftritt von Seeed
wird dann eine Unwetterwarnung durchgegeben: Kein Grund zur Panik, heißt
es, aber die Zelte solle man doch besser nochmal sichern. Und
tatsächlich braut sich zu den schweren Beats der Berliner
ordentlich Dunkles am Himmel zusammen. Gegen Ende des Konzerts geht
es dann los: erst tröpfelnd, dann ohne Gnade. Fressbuden und
Promo-Zelte geben Unterschlupf, am nächsten Tag wird man sich
erzählen, dass sogar Leute in Dixie-Klos geflüchtet sind.
Auf dem Zeltplatz biegen sich die Pavillons im Sturm, es blitzt und
donnert aus allen vier Himmelsrichtungen. Die Kaiser
Chiefs spielen dennoch, und die, die dabei waren, sprechen von einem fantastischen
Gastspiel, während dem sich Sänger Ricky Wilson gar in die
Menge geworfen habe. Pünktlich zur Umbaupause und ebenso
unvermittelt, wie es begonnen hat, hört das Gewitter wieder auf.
Misstrauisch kriechen die Menschen aus ihren Zelten, es wechselt das
klatschnasse und verdreckte Publikum vom Festivalgelände mit dem
trockenen, sauberen vom Zeltplatz, denn der Headliner des Samstags
kommt ja erst noch: Wir sind Helden spielen jetzt ihr
letztes Konzert vor der Babypause von Judith Holofernes.
Und
dieses Konzert wird dann tatsächlich zum vielleicht schönsten
des Festivals, was wohl nicht viele erwartet hätten. Vor ebenso
einfacher wie eindrucksvoller Lichtinstallation schnurren und flirten
sich die Helden (Judith trotz sichtbaren Bauches mit vollem Einsatz)
durch ihr Set, lassen sich - für die warmen Füße -
von einem Satz Bläser unterstützen, und bringen Hit nach
Hit einem Publikum dar, das gerade das Ende der Welt überlebt
hat und darum wie neugeboren durch die Pfützen tanzt.
Die undankbaren Mittagstermine nehmen am Sonntag The
Marble Index, Golden Horse und
Virginia Jetzt! wahr.
Zumindest letztere ziehen natürlich einige Fans an. TV
On The Radio zeigen danach schlicht durch Aussehen und Habitus mal, was man sich in
Hohenfelden, Kranichfeld und Umgebung unter New York vorzustellen
hat, sind musikalisch aber vielleicht ein bisschen zu diffizil für
ein Festival. Clueso & Band, die danach auf der Bühne stehen, hatten es von Erfurt aus nicht
ganz so weit. Ganz schlecht kommt's nicht an, aber im Highfield-Rahmen wirkt der Junge trotzdem etwas fehlbesetzt. Auch den
Platz von Revolverheld hätte man eventuell etwas spektakulärer - oder wenigstens origineller
- besetzen können.
Mit
Nada Surf kommt
ein Höhepunkt ebenfalls zu früh. Zwar werden "Popular"
(und sie spielen's doch, ihr "Creep" sozusagen) und die
Hits des aktuellen Albums bejubelt (alles dazwischen wie üblich
nicht), aber viel ist nicht los in der Menge vor der Bühne. Ist
es zu früh, zu leise, ist der Hunger zu groß oder die
Vorfreude auf die Sportfreunde Stiller? Man weiß es nicht, aber
diese Exzellenz-Indierocker hätten mehr verdient. Am Himmel
wechseln sich währenddessen Augustsonne und Wolkenberge ab - ja,
auch für diesen Abend gibt es eine Unwetterwarnung.
Bei den Sportfreunden Stiller
schließlich begnügen sich die Wenigsten mit bedächtigem Kopfnicken.
Hier hüpfen und singen die Fans bis weit hinter den Technikturm
mit. Aber die drei haben sich mit ihrem Fußball-Pipapo einen
Bärendienst erwiesen: Hier ging es nicht mehr um Musik, sondern
um die WM. Immer noch, immer wieder. Fast ein wenig hilflos standen
die Sportfreunde auf ihren Podesten, als die Menge wieder und wieder
"54, 74, ..." anstimmte. Zweimal spielten sie es, außerdem
noch andere Songs von ihrem Fußball-Album. Nichts zu hören
war dagegen von all den Liedern, die nicht bloß "geil,
Alter" sind, sondern manchmal auch wunderbar: kein
"Wellenreiten", kein "Heimatlied", auch nicht
"Fast Wie Von Selbst".
Mando Diao kämpfen
anschließend gegen den Sturm an, der den Sound ab und zu
einfach davon zu tragen scheint. In schwarzen Hemden stehen sie auf
der Bühne, die Schönen, so wie die Hives im letzten Jahr in
weißen Anzügen dort spielten, und sind einfach verdammt
gut. Mögen die Songs sich noch so ähneln - wenn zu "Motown
Blood" ein dreifacher Regenbogen genau über der Bühne
leuchtet, ist man einfach überzeugt.
Unbeirrt von den kalten Füßen des Publikums bemühen sich
Gentleman & The Far East Band dann so
sehr um sommerliche Gefühle, dass schließlich auch die
Turbojugend Kühlungsborn in den Knien wippt. Während schon
Zelte abgebrochen und Kofferräume gestopft werden, dimmen
Massive Attack dann zum Abschluss des Highfield-Wochenendes
die Temperaturen wieder deutlich herunter und entlassen die Schlachtenbummler
mit einem vielleicht etwas zu ruhigen Set in den Alltag.