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Gesehen! Jeff Beck & Buddy Guy / 16.07.2006, Bonn, Museumsplatz
Götterspeise für Saitenfans
Text: Carlo G. Reßler Fotos: Shooter Promotion
Es scheint ein Sommer der Griffbrettlegenden zu
werden. Nachdem schon Saitenstars wie Roger Waters, Santana, Deep
Purple, Eric Clapton oder The Who Gitarrenfans hierzulande
beglückten, gaben in Bonn bei hochsommerlichen Temperaturen zwei
weitere stilprägende Zupfmeister ihre höchst ansprechenden
Visitenkarten ab: die fast 70jährige Chicago-Blues-Legende Buddy
Guy und Jeff Beck, einer der kreativsten E-Gitarristen des Planeten.
Während Bluesveteran Eric Clapton, den Beck einst bei den Yardbirds ersetzte,
momentan mit fußballteamstarker Musikergefolgschaft durch die
großen Arenen zieht, spielen Buddy Guy und Jeff Beck vor
überschaubarem Publikum hautnah erlebbare Frischluftgigs.
Bestens gelaunt und mit viel Schalk im Nacken tritt zuerst ein Mann
samt Band auf die Bühne, der am 30. Juli seinen 70. Geburtstag
feiern wird und schon seit den 50er Jahren als einer der besten
Interpreten des Chicago-Blues gilt. Noch immer hat er in Chicago
einen eigenen Club, in dem er auch regelmäßig selbst
auftritt.
Viele kleine Anekdoten und Verweise auf andere Gitarrengrößen, wie Muddy Waters,
B. B. King oder John Lee Hooker, sind an diesem Abend prägend
für seinen Auftritt. Oft beginnt er Melodiezitate und hört
dann mittendrin auf, einmal mit dem Satz: „Ich spiele das jetzt
nicht weiter – denn wir alle wissen ja, wie es zu Ende geht.“
Zwischendurch liebkost er vor breiter Brust geradezu liebevoll seine
kabellose Bluesgitarre oder entlockt ihr mit Drumstick und
Schweißhandtuch stimmige Klänge, um wenig später voll
Ekstase mit seiner Zunge ungewöhnliche Bluestöne und
Hendrix-Zitate aus ihr zu kitzeln. Stürmischer Szenenapplaus ist
ihm natürlich sicher.
Dieser Altmeister des Rhythm'n'Blues fühlt sich sichtlich wohl mit seinen vielen Fans
und zeigt dies auch mit dem plötzlichen Ausruf „I'm coming
down!.“ Schon steht er mit Gitarre und Mikro mitten im
Publikum, während seine Band auf der Bühne den Song
weiterspielt. Wieselflink rennt er nun – ohne den Takt zu
verlieren – kreuz und quer übers Gelände und spielt
Soli, bei denen so manchem vor Staunen der Mund offen steht. Passend
zum grandiosen Finale des 15-minütigen Songs bahnt er sich den
Weg zurück auf die Bühne, um sich im tosenden Beifall und
nach fast zwei Stunden aufregendem Bluesgitarrenspiel zu
verabschieden.
Wesentlich komplexere
und lautere Töne folgen dann nach der Umbaupause. Jeff Beck mit
dreiköpfiger Band legt mit seinem 68er Song „Beck's
Bolero“ gleich zu Beginn den Turbogang bei seinem Instrument
ein. Was für ein Klang! Zum Schreien, Jauchzen und
ehrfurchtsvoll Lauschen zugleich! Sein Name steht für
akademische Spieltechnik in absoluter Perfektion, hochgradige
musikalische Intelligenz und Freude am schönst möglichen
Lärm. Ca. 2.000 Fans sind schier aus dem Häuschen.
Jugendlich dynamisch
steht der schlanke 61-jährige mit dunkler Sonnenbrille und
Muskelshirt auf der Bühne und sprüht nur so vor
„knabenhafter“ Spielfreude. Er liebt es sichtlich, seine
Fender-Gitarre rückzukoppeln, zu prügeln oder ihr
schillernde, jaulende kosmische Töne zu entlocken. „Technologie
betrachte ich als Freund, denn es macht überhaupt keinen Sinn an
Feinden herum zu fummeln“, erklärt er diese Vorlieben auf
seiner Homepage. Und: „Wenn du nicht singst, musst du dich auf
das konzentrieren, was die Leute hören – Klang ist alles!“
Dieses Motto setzt er nun seit gut 40 Jahren in faszinierende
Soundlandschaften um.
Elektrobeats, rhythmisch-schräge Soundattacken („Guitar Shop“ von
1988), „Walgesänge“ die er in seine Gitarren-Sprache
umsetzt, und massiver Powerrock gefolgt von klaren Jazzlinien - der
Mann ist an diesem lauwarmen Sommerabend scheinbar angetreten, jeden
davon zu überzeugen, dass eine Gitarre in den richtigen Händen
viel mehr sein kann als ein Griffbrett mit 6 Saiten. O-Ton Jeff Beck
dazu: „ Ich liebe es, wenn jemand meine Musik hört, aber
keine Ahnung hat, was ich für ein Instrument spiele. Das ist für
mich das größte Kompliment!“ Nun, kein Problem bei
geschlossenen Augen, und Komplimente hat er, genauso wie sein
Vorgänger Buddy Guy, an diesem denkwürdigen Bonner
Gitarrenabend reichlich verdient.