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Die Ankündigung konnte als kleine Sensation im Tourzirkus gelten: Schlagzeuglegende Ginger Baker (u.a. Cream) wird gerne als "Rock's first superstar drummer" gepriesen, zieht aber selbst die Bezeichnung "Jazz-Schlagzeuger" vor. Jonas Hellborg (u.a. Mahavishnu Orchestra) wird seit Jaco Pastorius' Tod von vielen als der größte lebende E-Bassist apostrophiert. Er hat schon u.a. mit John McLaughlin, Michael Shrieve, V. Selvaganesh, Mattias IA Eklundh und Buckethead gespielt. Und nun ging die "Jonas Hellborg Group featuring Ginger Baker" auf Club-Tournee. Das machte natürlich einen Ortstermin unumgänglich...
Veranstalter Noisenow hatte für diesen Anlass die Harmonie in Bonn (u.a. auch traditioneller Austragungsort der Rockpalast Crossroads-Festivals) sowie - vielleicht in Anbetracht der 72 Lenze, die Mr. Baker zählt, einen frühen Beginn um 19 Uhr gewählt. Aufgrund von Technik-Feinabstimmungen kam der Bandleader Hellborg erst um 19:20 Uhr zunächst grußlos auf die Bühne. Und zog erst mal umständlich die Lederjacke aus. Charisma pur. Da kann der Pferdeschwanz noch so schmantig sein, das verrutschte T-Shirt den Blick auf‘s Gesäß freigeben: Der Meister hatte die ganze Harmonie sogleich im Sack. Und das, obwohl er nun zunächst einmal gefühlte fünf Minuten lang sein Instrument stimmte. Dazu hockte er sich ganz ruhig an den Bühnenrand und ließ wie selbstvergessen einen Flageolett-Ton nach dem anderen sich im Raum verbreiten (die YouTube-Videos vom Auftritt in Enns, s.u., deuten darauf hin, dass er dies auf dieser Tour immer so gehalten hat). Fast unmerklich entwickelte sich das Stimm-Procedere in ein schönes Stück mit viel Picking und Akkordspiel, später auch knalligem Slapping.
Apropos knallig: Der Autor hat unlängst mal wieder ein ganzes Wochenende mit Live-Auftritten von ProgMetal-Bands genossen (davon bald mehr in diesem Kino). Bei fast jeder dieser Combos mühte sich der Tieftöner an Acht-, mindestens aber Fünf- oder Sechssaitern mit monströsen Abmessungen und kreuzmordendem Gewicht ab. Irgendwas machen die falsch, denn keiner dieser schweren Jungs hatte trotz fetten Ampeg-Stacks o.Ä. auch nur annähernd einen so prägnanten, durchsetzungsfähigen und schlicht geilen Ton wie Jonas mit seinem viersaitigen, halbakustischen "Hellborg Signature Bass" von Warwick und einem vergleichsweise kleinen Amp - gleichfalls von Warwick - erzeugt. Dieser Sound dringt ohne irgendein Matschen noch in den hintersten Winkel der Harmonie.
Genug geschwärmt, genug soliert. Das Publikum (Altersdurchschnitt 50, kaum Damen) hatte sich inzwischen eingegroovt und begrüßt die nun erscheinende Band mit enthusiastischem Applaus. Ginger Baker wirkt durch seine Brille noch zerbrechlicher. Er benötigte Hilfe, um die Bühne zu erklimmen. Sobald das aber geschafft und auch der Drum-Hocker erklommen war, war alles gut. Ein erster Roll, und Lächeln machte sich auf und vor der Bühne breit.
Apropos Lächeln: Gitarrist Regi "The Teacher" Wooten sieht aus wie ein braun geschminkter Bastian Pastewka und hat auch ein ähnlich irres Grinsen am Start. War die eigene Haltung zunächst noch als "heute hätten wir aber auch mal gut auf Gitarre verzichten können" beschreibbar, wechselte dies alsbald zu wortlos heruntergeklapptem Unterkiefer. Regi spielt nicht nur aberwitzige Fingersätze und Läufe, sondern auch Tappings, die nur als Stanley Jordan in MG-Geschwindigkeit beschrieben werden können. Überdies bedient er die Gitarre in noch nie gesehener Weise als Rhythmus-Instrument. Dazu singt er noch passabel (den Blues "Downhearted", später folgte noch "Papa Was A Rolling Stone"). Das Auge hört bekanntlich mit: Für seinen längsten Solospot verwendete der ohnehin schon recht farbig gekleidete Regi rosa Haarbänder als Kapodaster... Später im Konzert spielt er eine flirrende Rhythmus-Gitarre - somit waren zu diesem Zeitpunkt drei Rhythmus-Musiker auf der Bühne, und nur Hellborgs Bass hielt und entwickelte die Melodie. Das Resultat war ein enorm in die Beine gehender, unwiderstehlicher Rhythmus-Fluss.
Es folgten unterschiedliche Spots und Paarungen, beispielsweise Gitarre solo und Percussion solo, wobei hier der phantastische Dodoo "Ich bin zwei Öltanks" Abass vor allem für Ginger Baker einheizte. Dann also "Drumsolo" mit Back-up seitens Dodoo. Begünstigt durch die Raumform der Harmonie ließ sich hier Bakers afrikanisierte Spielweise sehr schön von der Seite aus studieren. Hierbei fiel auf, dass der Brite im Gegensatz zu den meisten Großen des Genres inzwischen buchstäblich "laid back", also bequem zurückgelehnt drummt. Einzig das heute Abend extrem unsensible, ja geradezu neben dem Takt liegende Licht störte ein wenig diesen Genuss. Falls man der Mimik der Musiker trauen durfte, entstand nun aus einem neuerlichen Tuning des Leaders, das Mr. Baker aufgriff, sogar ein echter Jam - weiteres Highlight eines Konzertes der Extraklasse.