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Gesehen! Le Pop: Francoiz Breut und Mathieu Boogaerts / 07.03.2006, Berlin, Kapital
Mehr als "Nouvelle Chanson"
Text: Carsten Wilhelm
Wenn es in letzter Zeit einen wirklichen musikalischen Trend gab, dann den
Erfolg französischer Popmusik unter dem Label "Nouvelle
Chanson". In Deutschland kam der Durchbruch mit Yann Tiersens
Soundtrack zum Kinoerfolg "Amelie". Seitdem gibt es
scheinbar kein Halten mehr. Neben dem medialen Hype gab es aber auch
immer schon die Liebhaber frankophiler Musik, wie zum Beispiel die
Macher des Kölner Labels Le Pop. Neben dem Veröffentlichen
allseits gelobter Sampler veranstalten sie auch eine
Konzertreihe mit den Stars des französischen Neo-Chansons.
Mathieu Boogaerts
Diesmal gab es mit Francoiz Breut und Mathieu Boogaerts zwei der spannendsten
Künstler dieses Genres zu bewundern. Als Location hatte man in
Berlin das Kapital gewählt, nahe am Potsdamer Platz, aber doch
abseits der üblichen Konzerthallen. Dennoch war der Laden nahezu ausverkauft.
Französisch-Leistungskurse, Baskenmützenträger, aber auch die
typische Indie-Crowd zeigte an, dass hier weit über die üblichen
Verdächtigen hinaus Interesse bestand.
Anfang machte die in Brüssel lebende Bretonin Francoiz Breut,
deren Ruf weit über den frankophonen Teil der Welt hinausreicht.
Immerhin kann die Dame internationale Größen wie Howie
Gelb oder die Walkabouts zu ihren Bewunderern zählen. Man darf
es vorwegschicken: Nach diesem Auftritt hat die junge Chanteuse
sicherlich einige Verehrer mehr. Francoiz Breut betrat die
spartanische Bühne zusammen mit einem freundlich lächelnden
Multiinstrumentalisten an Gitarre, Schlagzeug und Glockenspiel. Sie
selbst "bediente" einen kleinen Plattenspieler, der
zwischen den beiden Musikern aufgestellt war und von dem im Laufe des
Konzerts Vogelstimmen, Kindergeräusche und allerlei andere Laute
dem Gesang der Breut unterlegt wurden. Francoiz Breut erinnerte in
ihrer Zerbrechlichkeit und stimmlicher Intensität an Chan
Marshall, und man bekam den Eindruck, dass diese junge Französin
viel näher an amerikanischen Vorbildern ist, als an einer Edith
Piaf. Francoiz Breut sang schlicht und spartanisch Songs der letzten
beiden Alben, mal Englisch, mal Spanisch, doch meist auf Französisch.
Wenn man die Augen schließt und der Stimme der Breut lauscht,
wie sie die Sprache betont, wie sie Wörter dehnt, kann man die
allgemeine Begeisterung verstehen.
Mathieu Boogaerts, der nach einer Pause die Bühne betrat, gilt
als Wunderknabe des neuen französischen Pops. Schlichtheit ist
auch hier Trumpf. Solo, nur mit Gitarre, gibt er seine Songs zum
Besten, es ist still, man lauscht angespannt. Die Stücke,
zumeist von der letzten Platte "Michel" wirken in
diesem Arrangement abgespeckt, und doch verbreiten sie in Kombination
mit Boogaerts weichem Gesang einen ganz eigenen Zauber, der das
Publikum erfasst. Während man sich sonst bei Konzerten immer
über Besucher ärgert, die hemmungslos quatschen, statt
einfach mal die Klappe zu halten, konnte man an diesem Abend erleben,
was es bedeutet, dem Vortrag eines Musikers wirklich zu lauschen. Die
Atmosphäre war geradezu andächtig, und man wurde diese
angenehme Stimmung auch auf dem Heimweg nicht los. Wunderbar!
Hoffentlich präsentieren uns die Macher von Le Pop bald wieder
solche Perlen.