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Ähnlich wie beim Jazzfest in Montreux erfreuen die Leverkusener Jazztage schon seit Jahren die zahlreichen Besucher mit einem zeitlos frischen Crossover-Programm aus Jazz, Pop, Rock und Blues. Von Acid Jazz, über Funk Metal bis zu Schmusepop und Klezmer-Musik wird auch bei der 29. Ausgabe ein außergewöhnlicher Querschnitt zeitgenössischer Musik geboten.
John McLaughlin
Traditioneller Gast bei den Jazztagen ist seit langen Jahren auch der WDR Rockpalast, in diesem Jahr mit drei besonderen Acts mit einem
"Guitar Special" vertreten. Direkt zu Beginn des Abends spielt der Sting- und Phil Collins-Gitarrist
Dominic Miller mit seiner Band auf. Der Auftritt wird für eine brandneue Konzert-DVD aufzeichnet.
Musikalisch bewegt er sich anmutig und sinnlich zwischen sanftem Jazz und kernigem Pop.
Ein echter Leckerbissen dann im zweiten Konzert: Progrock-Gitarrist Adrian Belew, Leadsänger und
Gitarrist bei King Crimson sowie früher gern gesehener Saiten-Zupfer bei Frank Zappa, Mike
Oldfield oder Laurie Anderson, spielt im Forum mit seinem Trio ganz groß auf. Bei
seinen oft ausufernden experimentellen Soundeskapaden wird der "Guitar Hero"
grandios begleitet von der erst 20-jährigen Bassistin Julie Sick sowie ihrem zwei
Jahre ältereren Bruder Eric am Schlagzeug. Die intelligente virtuose Spielkunst
des Trios provoziert im Konzertverlauf viel Szenenapplaus und vor Staunen offene
Münder im Publikum.
Eine furiose Show präsentieren abschließend die Crossover-Giganten Living Colour. Druckvolle
Hardrock-Rhythmen mit exzessiver Klampfen-Quälerei gespickt mit Hip-Hop-Beats, einer Prise Funk
und ausdrucksstarkem Gesang bringen das Leverkusener Forum zum Kochen und laden förmlich zum Fußwippen und Hüftschwingen ein.
Der ausverkaufte Highlight-Abend überrascht das Publikum mit einem zunächst etwas schwer verdaulichen Bonbon, dem
Panzerballett aus München. Gekonnt laut, mit respektlosen, ultraschnellen Metal-Riffs, mediterranen
Klängen und treibenden Grooves präsentiert das Sextett Jazz in ungewöhnlicher Form. Voll Tempo und
Druck "verkrassen" (wie die Band selbst es nennt) sie während ihres Gigs ein geniales Zappa-Medley
oder brechen bei "Friede, Freude, Fußball" einen Stadionklatschrhythmus mit brachialen Soli. Zielgenau
bringt Mastermind und Gitarrist Jan Zehrfeld die musikalische Absicht der Band mit einem Satz auf den Punkt:
"Unser Anliegen ist, die schwebende Geschmeidigkeit des Balletts mit der Kraft und dem Krachen eines Panzers
zu verbinden!" Mit drei Gitarristen, Saxophon, Bass und Drums gelingt ihnen dieser Spagat
mühelos und wird am Ende mit Beifallsstürmen belohnt.
Mit den lebenden Jazzlegenden Chick Corea & John McLaughlin und ihrer Five Peace Band
folgt das mit großer Spannung erwartete absolute Highlight des diesjährigen Festivals. Der grandiose
Jazz-Pianist Chick Corea und Gitarrist John McLaughlin schrieben in den 70ern Fusion-Geschichte und
spielen seit ihrer gemeinsamen Miles Davis-Zeit zum ersten Mal wieder zusammen in einer Band. Vom Publikum
wie bei einem Einzug von Gladiatoren ins Stadion mit minutenlangem Willkommensapplaus frenetisch
begrüßt, legen sie mit ihrer Band in den folgenden zwei Stunden ein Set hin, das keinerlei
Wünsche offen lässt. Perfekt abgestimmte Melodiefolgen mit scheinbar willkürlichen
Pianotupfern, genialen Gitarrenläufen und ausufernden Improvisationen - darunter ein langes
Drumsolo des exzellenten ehemaligen Zappa-Drummers Vinnie Colaiuta - sorgen für Begeisterung
im Publikum. Fast ehrfürchtig lauscht die Audienz im Saal der in dieser Zusammenkunft
einzigartigen musikalischen Darbietung absoluter Ausnahmekünstler. Ein Konzertabend
mit zwei der bedeutendsten Musiker der Jazz-Welt, der Geschichte schreibt und wie im Flug vorübergeht.
Hervorzuheben sind neben den großen Acts, die über all die Jahre nach Leverkusen kommen,
auch die "Clubkonzerte" an anderen Spielstätten, wie z.B. der zum Konzertkino umgebauten Scala.
In diesem Jahr präsentieren dort, neben vielen anderen Künstlern, auch die Progrock-Urgesteine
Nektar ihr neues Album "Book Of The Days". Roye Albrighton mit
seiner unverwechselbaren Stimme und Arbeitstier Ron Howden am Schlagzeug haben mit
"Keyboard-Wiesel" Klaus Henatsch und Bassist Peter Pichl zwei
starke neue Mitmusiker gefunden, die den ausufernden Klangteppichen der Band eine wunderbar
erfrischende Würze geben. Alte Ohrwürmer und neue Songs ergeben ein
betörendes Klanggebräu, dem sich kaum einer entziehen kann. Leider wird
der Auftritt mit einer für Nektar ungewöhnlich langen
Pausenunterbrechung empfindlich gestört.
Natürlich fragen sich bereits viele Besucher, wie das starke Programm des diesjährigen
Festivals beim anstehenden 30. Jubiläum im kommenden Jahr noch getoppt werden kann.
Doch dieses Geheimnis wird wohl erst im nächsten Sommer gelüftet.