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Gesehen! Woman's Night @ Leverkusener Jazztage / 07.11.2006, Leverkusen, Forum

In Kontakt mit den Göttern

Text: Carlo G. Reßler      Live-Fotos: Eckhard Meszelinsky

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Auch ohne den durch seinen Armbruch verhinderten Nigel Kennedy hatten die 27. Leverkusener Jazztage dieses Jahr viele musikalische Bonbons im Angebot. Ein Highlight in der gut gefüllten Forum-Konzerthalle war dabei zweifelsohne die "Woman's Night" mit vier eigenwilligen und ganz unterschiedlichen Interpretinnen auf höchstem Niveau.

Mari Boine

Mari Boine

Festivalorganisator Eckhard Meszelinsky und sein Team hatten in den vergangenen Jahren schon oft ein großes Aufgebot renommierter Jazzmusiker zu den Leverkusener Jazztagen geholt. Doch in diesem Jahr hatten sie mit Bands wie Oregon oder Level 42 und Größen wie Paco de Lucia, Al Di Meola oder auch der temperamentvollen Brasilianerin Badi Assad ein besonders glückliches Händchen bei der Künstlerauswahl. Im Rahmen der „Woman's Night“ standen - getreu dem Motto „Jazz ist Musik mit Toleranz“ - vier Namen auf dem Programm, die auf den ersten Blick sicher nicht alle in der Jazzwelt zu Hause sind.

Dabei entführte die New Yorker Underground-Songwriterin Heather Greene mit ihrer Band die Zuhörer mit gefühlvollen Eigenkompostionen und ruhigen Soundcollagen in ganz eigene Slow-Motion-Klangwelten. Manchmal mit etwas unterkühltem Gothic-Jazz, doch stets ganz warmen Timbre in der Stimme bot sie an diesem Abend ihren vielbejubelten Special-Mix aus Jazz und Folkpop, immer mit einem würzigen Hauch Country darin.

Direkt im Anschluss begann im kleinen Agamsaal der Auftritt der jungen deutschen Sängerin Saskia Buggert mit vierköpfiger Begleitband. Energievoll war ihr Wurlitzer-Pianosound mit dem in der Jazzwelt ungewöhnlichen deutschen Gesang, dazu knackig dynamische Drum'n'Bass-Musik mit Funkelementen und vielen elektronischen Breaks.

 

 

Ein riesiger Konzertflügel auf der großen Bühne war das einzige Instrument für den mit Spannung erwarteten Auftritt der brillanten Pianistin Aziza Mustafa Zadeh. Zwar musste man teils schon gewagt interpretieren, um aus ihrem faszinierenden Soundgebräu aus orientalischem Folk, Avantgarde und klassischer Pianomusik so etwas wie „Worldjazz“ zu hören, doch machte genau dies ihre Originalität aus. Begeisterter Applaus des Publikums war ihr sicher. Ethnische Balladen aus ihrer Heimat Aserbaidschan vermischte sie im Konzert überaus gefühlvoll mit Bluestupfern sowie perlend dahin fließenden Pianoläufen. Temporeiche Folklinien mündeten bei ihr wie selbstverständlich im akrobatischen, engelsgleichen Gesang, der regelmäßig für Gänsehaut bei den Zuhörern sorgte. Alleine schon der Spirit von Azizas jazz-klassisch angehauchter Eigeninterpretation einer Arie aus Mozarts Zauberflöte war ein denkwürdiges Konzertereignis an diesem Abend und den Eintritt wert.

Mit kolossalen Soundcollagen und ganz anders als ihre Vorgängerinnen, nämlich kraftvoll wild, dabei fremd und mystisch zugleich, kam zum Abschluss des Festivalabends eine Frau auf die Bühne, die kaum in eine musikalische Schublade passt: Mari Boine aus Lappland mit ihrer fünfköpfigen Band. Ihre einzigartigen nordischen Wohlklänge kann man auch nach zig mal Hören immer wieder neu entdecken. Ein perfekt getimetes bombastisches Klangbad mit mitreißenden Basslinien und begnadetem Perkussionspiel im Wechsel mit ganz ruhigen meditativen Folkelementen aus Samiland (territorial zwischen Russland, Schweden und Norwegen gelegen) sorgten spontan für viele ausgelassen zuckende Tanzbeine im hingerissenem Publikum. Besonders magisch wirkte Mari Boines facettenreicher samischer Obertongesang, wunderschön untermalt von einer ausgefeilten, kosmisch anmutenden Lightshow. Völlig dem Diesseits entrückt wirkte die kleine Stimmmagierin, als wenn sie direkt mit den Göttern ihres lange unterdrückten Volksstammes in Kontakt stünde und dabei ihre Ahnen beschwörend anriefe.

Drei Zugaben wurden ihr und der Band am Ende frenetisch abverlangt, darunter das wunderschön neu interpretierte „In the Hand of a Night“. Ganz nebenbei erklärte sie dem Publikum dann noch das scheinbar simple Konzept, sich voll auf ihren ungewöhnlichen Worldmusic-Mix einzulassen: „Forget all your clever things in the mind and feel your sex vibrations!“ Mit diesem für viele Menschen hierzulande oft schwer umsetzbaren Rezept ging nach gut vier Stunden ein in dieser Form wohl unvergesslicher und einzigartiger Konzertabend zu Ende.

 

Links:

>> Festivalinfo Leverkusener Jazztage 2006 bei POP FRONTAL

>> Homepage Leverkusener Jazztage

>> Künstlerinfo Mari Boine bei POP FRONTAL

>> Künstlerinfo Aziza Mustafa Zadeh bei POP FRONTAL

>> Homepage Aziza Mustafa Zadeh

>> Homepage Heather Greene

 

Aziza Mustafa Zadeh

Aziza Mustafa Zadeh

 

Heather Greene

Heather Greene

 

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