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Gesehen! Mattias IA Eklundh / 28.05.2011, Köln, Music Store
Freak Guitar - Klinisch getestet
Text: Klaus Reckert Live-Foto: Klaus Reckert
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Sollndissüberhauptsein?!? "Guitar Clinic"? Und dann noch "Freak"? Die Neugier trieb uns in die wunderschönen, großzügigen neuen Räume des Music Store zu Köln, in dessen hellem, freundlichem an diesem frühsommerlichen Samstagnachmittag aber auch brüllheißem Atrium mit Mattias IA Eklundh ein ewiger Lieblingsmusiker geladen war. Wer eine ambulante Verarztung mitgebrachter Krankklampfen - à la Teddy-Klinik - erwartet hatte, ward angenehm enttäuscht. Zwar spielte im Folgenden auch ein Schraubenzieher noch eine tragende Rolle. Doch was am meisten behandlungsbedürftig schien, waren die alsbald vor staunendem Offenstehen ausgerenkten Unterkiefer der erschienenen Gitarristen und Fans.
Eklundh ist IMHO einer der ganz wenigen wirklich originellen Guitar Heroes. Seine Großtaten bei u.a. Freak Kitchen, aber auch auf Soloscheiben und Kooperationen mit beispielsweise Jonas Hellborg haben ihm zwar keinen massenmedialen Ruhm, aber umso ehrfürchtigere Bewunderung bei Musikerkollegen eingebracht. Anlässlich der Eröffnungswochen des Music Stores gab er nun besagte Clinic - gesponsert von Laney, den Herstellern der von ihm "endorsten" Gitarrenverstärker. Wie sich das auswirkt, verrät viel über den langmähnigen, fast immer breit grinsenden Schweden: "Eine der Sachen, die ich an meinem Laney schätze, ist, dass er immer fast gleich klingt, egal welches Knöpfchen ich drücke". Gleichzeitig vermochte er aber vorzuführen, dass die von ihm an den Start gebrachte, vergleichsweise kleine Head-/Amp-Kombination in jeder Lebenssituation "beefy" genug klingt, um auch größere Räume zu beschallen, wenn nicht zum Einsturz zu bringen.
Gemeinsam mit seiner Caparison Signature-Gitarre (eine "Apple Horn Yellow mit "True Temperament Fretting System") zeichnet er sich durch ein großes Durchsetzungsvermögen in Tateinheit mit optimaler Transparenz auch bei aberwitzig schnellen Passagen aus. Apropos True Temperament: Mehr als über den Amp plaudert "IA" über diese asymmetrische Form der Bundierung, die einen Geburtsfehler der Gitarre endlich ausgleicht und sie endlich wirklich stimmbar macht. Apropos Plaudern - wir lernen: eine Freak Guitar Clinic ist einfach ein völlig entspanntes Zusammentreffen mit einem der weltbesten Gitarristen, bei dem er seine Musik und sein Equipment erläutert, zu Fragen auffordert (es darf jederzeit unterbrochen werden), Musikwünsche erfüllt etc. Vor allem aber wird gelacht, denn der Meister ist ein mindestens so guter Entertainer wie Saitenartist. Mit einem Joke nach dem anderen lockert er die Materie auf, wirft beispielsweise nach einer Tieferlegung der Pickups der Apple Horn mittels gleichfarbigem Drehwerkzeug besagten Schraubendreher wie ein Plektrum (aber vorsichtiger) ins - beglückte - Publikum. Auch seine immer wieder durchbrechende Parodie auf Gitarrenriffs und Kastratengesang im True Metal fand nicht nur der Autor zum Schreien komisch.
Überhaupt darf und soll mitgemacht werden: Zu Demonstrationen der rhythmischen Reize der südindischen Musik (die ihn noch mehr beeinflusst halt als Zappa) zieht der freundliche Wikinger mehrfach das Publikum heran, dass sich redlich müht, die ungeraden und dann noch im Takt wechselnden Maße mit Fußstampfen und (in anderem Takt!) Handklatschen zu begleiten. Bei Stücken wie "The Three Princes of Serendip" aber ist es vorbei mit dem Mitklatschen. Zur Wiederbelebung folgte "La Bamba". Und viele, viele mehr. Für diesen Ausnahmekünstler lohnt wirklich jede Anfahrt - ob nun für eines seiner seltenen Konzerte oder für die sich schon etwas häufiger ergebenden Clinics und Demos - beispielsweise auf der Frankfurter Musikmesse.