Gesehen! Nick Cave & The Bad Seeds / 21.11.2004, Hamburg, CCH
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Alte Freunde am falschen Platz
Text: Michael Kellenbenz
Man stelle sich das eher seltene Wiedersehen zweier alter Freunde vor. Ein paar
Tage schon geplant, noch länger her, dass man sich zuletzt sah. Sommer war
es im Vorjahr und grüner Stadtpark. Heute November und standesgemäß
neblige Nieselstimmung vor einem uncharmanten Funktionsbau namens "CongreßCentrum
Hamburg". Der Tag war lang, man einigt sich auf diese nicht eben preiswerte
Location und sieht auch über die gepfefferten Getränkepreise hinweg.
Es ist ja schließlich ein alter Freund, der Typ da gegenüber. Doch
die Begegnung verläuft eigenartig befremdlich, etwas müde, mit kurzen
und wieder verebbenden euphorischen Ausbrüchen.
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Dass Cave und die Bad Seeds natürlich auch unter misslichen Umständen
noch imstande sind, eine gelungene und abendfüllende Show abzuliefern, steht
von vornherein mal außer Frage. Muss man es dennoch erst dazu kommen lassen?
Dass sich die Kommunikation mit dem Publikum auf das Allernotwendigste und ein
gelegentliches, beängstigend knurriges "Thank You" beschränkte,
die Bühnentechnik gerüttelt beschimpft wurde, der Meister möglicherweise
alles in allem nicht seinen besten Tag hatte…, sei's drum. Doch Cave, der
erstmals mit gospeligen Nuancen aufwartet, hätten andere Spaßtempel
zur Ehre gereicht, als die in jeglicher negativer Hinsicht "Vorzeigehallen"
wie das Hamburger CCH oder auch "Deutschlands Top of the Worst" die
Düsseldorfer Phillipshalle. Dass es an beiden genannten Orten höchstens
einer privilegierten Besucherschar vorbehalten ist, die Show bei gleichzeitig
guten optischen wie akustischen Bedingungen zu verfolgen, ist kein Geheimnis.
So bleibt auch in Hamburg ein kleiner fader Nachgeschmack trotz des überwältigenden
Materials aus "Abattoir Blues/The Lyre of Orpheus". Wieder sitzt der
Anzug tadellos, wieder ist das Licht unaufdringlich präsent, wieder zwingt
ihn nichts endgültig in die weichen Knie. Wieder überzeugt der Background,
aber wieder fehlt mit Blixa Bargeld auch der stoische Kontrapunkt auf der Bühne.
Ausdiskutiert ist das bereits zur Genüge und eh nicht zu ändern. Doch
wird die Lücke vielen erst jetzt richtig bewusst, da sie die Bad Seeds sehend
erleben, statt sie "nur" zu hören. Die Setlist ähnelt Düsseldorf
und Berlin. "Henry Lee" hat Ausgang heute, und an Selbigem sammeln sich
viele schon kurz vor Ende der knappen zwei Stunden. Ein paar Mal überkam
es sie überschwänglich, der Rest war freundlich geneigtes Interesse.
Alte Freunde an der Garderobe. So schnell bringt sie ein durchwachsener Abend
nun aber auch nicht auseinander.
Links:
>> Künstlerinfo Nick Cave & The Bad Seeds bei POP FRONTAL
>> Konzertbericht 18.11.2004, Düsseldorf bei POP FRONTAL
>> CD-Rezension (20.09.04): "Abattoir Blues / The Lyre Of Orpheus" bei POP FRONTAL
>> Homepage Nick Cave & The Bad Seeds
>> Nick Cave: Abattoir Blues / The Lyre Of Orpheus: Reinhören und Kaufen bei amazon.de
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Nick Cave
Abattoir Blues / The Lyre Of Orpheus(Mute / EMI)
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