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Gesehen! Oma Hans, Billy No Mates, Potato Fritz / 17.03.2006, Hamburg, Fabrik
Noch immer Amateure
Text: Mikel Plett Live-Fotos: Sandra Kriebitzsch
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Traurige Anlässe ziehen oft die besten Partys nach sich. Im Falle des letzten Oma Hans-Konzerts ever
dürfte es dazu keine zwei Meinungen geben! Jens Rachut und seine Schergen, allesamt erprobt im
Auflösen geliebter Bands (Dackelblut, Blumen am Arsch der Hölle, etc.), machten an diesem Abend
in der Hamburger Fabrik einmal mehr deutlich, dass es gerade dann am schönsten ist, wenn man aufhört.
Den Anfang machte pünktlich um neun Uhr in der noch überschaubar gefüllten Fabrik eine junge
Nachwuchsband: Sofia Nord erspielten sich mit ihrem leicht rotzigen und trotzdem melodischen Punkrock schnell
die Gunst eines kleinen, aufmerksamen Publikumanteils. Der große Rest war zu diesem Zeitpunkt allerdings
mit den Problemen einer gesicherten Bierversorgung ausgelastet, weshalb den sympathischen Jungpunkern ein
erheblicher Teil der ihnen gebührenden Aufmerksamkeit verloren ging. Schade eigentlich.
Nach kurzer Umbaupause folgten die Hamburger Potato Fritz. Oberkartoffel und Fidel Bastro-Chef Bernd Kroschewski
beeindruckte nicht nur mit kreischend ekstatischem Gesang und ungewohnt lässigem Gitarrenspiel - vor allem
die Proportionen Gitarre:Mensch fanden beim Großteil der Anwesenden die
berechtigt staunende Anerkennung. Leider fiel hier der Auftritt etwas kurz aus, bei der nächsten sich
bietenden Gelegenheit sollte man sich Potato Fritz keinesfalls entgehen lassen.
Die dritte Band des Abends waren Billy No Mates, neues Zuhause des ehemaligen Snuff-Sängers Duncan Redmonds,
dem die Doppelbelastung von Schlagzeugspiel und Gesang nach wie vor nichts auszumachen schien. Überraschend
groß war der vom Publikum entgegengebrachte Zuspruch, wollte ihr beinah schon fürchterlich melodischer
Gute-Laune-UK-Punk doch so gar nicht zu dem passen, was sich im direkten Anschluss hier abspielen sollte.
Mit "Guten Abend Schleswig Holstein" begrüßte Jens Rachut das sich mittlerweile enorm
verdichtete Publikum. "Wollen wir die Sache mal anständig zu Ende bringen." Und, nach einem
kleineren Problem am Verstärker: "Fünf Jahre, und noch immer Amateure!" - das war's! Mehr
wurde nicht gesprochen. Keine Geschichtchen, kein Resümieren, keine Ankündigungen, keine Verabschiedung.
Noch immer Amateure und los, von null auf 100 in einer Sekunde. Auf der Setliste am Bühnenrand blieb trotz
A3-Formats keine Lücke für auch nur ein weiteres Stück, und davon gab es viele an diesem Abend.
Wahrscheinlich wäre es einfacher die drei Songs aufzuzählen, die nicht gespielt wurden. Ansonsten galt:
Sag mir ein Oma Hans-Lied, und ich sage dir, dass es gespielt wurde.
Höhepunkte herauszugreifen, scheint da unmöglich. Natürlich "In der Ukraine", natürlich
"Kalter Mammut", "Ideale Fadenkreuze", "0832", "Aus Stahl" oder "Sofa in
Singapur". Natürlich gefühlte 45 Grad vor der Bühne, von der Luftfeuchtigkeit mal gar nicht zu
sprechen. Selbstverständlich auch das charakteristische Armgewackel von Herrn Rachut, wie erwartet das Anmaulen
der Stagediver: "Hau ab!"
Letztendlich blieb nach dem wortlosen Abgang und den endlos langen, aber unerfüllten Rufen nach einer Zugabe
nicht viel Greifbares. Bestimmt hatte man soeben eines der Konzerte des Jahres gesehen, natürlich war es das
beste von Oma Hans, aber die Erkenntnis, etwas Vergleichbares wohl nie wieder erleben zu dürfen, legte sich
dann doch wie ein schwerer Mantel über die müden Schultern. Warm zwar, aber schwer! Die Oma ist tot.
Toll, dass sie da war! Vielen Dank für die gute Zeit! Aber, wie einst eine Band sang, die es jetzt nicht
mehr gibt: "Irgendwann merkt man immer, wenn es das war."