Fast nur erfreuliche Überraschungen bot das Herbst-Konzert von Opeth und Anathema im Kölner E-Werk: Beim Top Act Opeth war das etwa der Umstand,
dass nicht das aktuelle, stark vom bisherigen Band-Sound abstechende Werk "Heritage" im Vordergrund stand. Und bei der "Vorgruppe"
Anathema war dies beispielsweise die gelöste, positive Stimmung, welche die Cavanagh-Brüder verbreiteten - Gitarrist/Hauptkomponist Danny
strahlte geradezu! Eine weitere Überraschung war die klare Rollenverteilung der Bands. Was auch gut ein Double-Headliner-Konzept hergegeben
hätte, erwies sich stattdessen als Veranstaltung mit deutlicher Hierarchie.
In der waren Anathema zwar gutes Licht und exzellenter Sound, aber nur 45 Minuten Spielzeit zugestanden. "Aber wir haben doch neun
Alben", wandte sich Frontmann Vincent in komischer Verzweiflung ans Publikum. Da das relativ kurze Set zwar für uns, kaum aber für die
Liverpooler unerwartet war, konnten sie mit einer komprimierten Setlist kontern, die einen ausgewogenen Querschnitt aus dem aktuellen, auch und gerade in
Deutschland sehr erfolgreichen Album "Weather Systems" sowie den vermutlich wichtigsten Alben von Anathemas Post-Growl-Ära darstellte.
Nach einem im Vergleich zur Album-Fassung deutlich umarrangierten "Deep" wagte sich Lee Douglas für "Thin Air" mit
schüchternem Lächeln und umwerfender Stimme erstmals an den vorderen Bühnenrand. Apropos Lee - noch nie haben wir bei einem Opeth-Konzert so
viele junge Frauen und Mädchen gesehen. Lag's am braven "Heritage"-Album? Oder doch eher an Anathema? Die übrigens gerade in der
Kategorie "Live Event" den vom Prog Magazine verliehenen Progressive Music Award erhalten haben.
"Edge Of My Life" brachte Parts für einen an der äußerst rechten Bühnenperipherie positionierten Stunt-Keyboarder,
Überstunden für die Nebelmaschine und für Danny Anlass, sein Publikum so konzentriert zu beobachten, wie das selten bei einem Rockstar auf
der Bühne zu erleben war. "A Simple Mistake" war ein kleiner Durchhänger, bis die Vocoder-Passagen von "Closer" das fast
ausverkaufte E-Werk zum Hüpfen brachten. Alte Fans freuten sich, dass als Zugabe "Fragile Dreams" vom Über-Album "Alternative
4" gewählt wurde. Mit gekonntem "Tschüss" und einem hervorragenden Gesamteindruck verabschiedeten sich Anathema von Köln.
Vorläufig. Denn Dany tauchte kurz darauf wieder im Fotograben auf und mischte sich sogar beim Opeth-Auftritt ins Publikum.
Der Opeth-Auftritt also... Wie bereits angedeutet wurde das aktuelle Album nur durch das Gig-Intro ("The Devil's Orchard"), eine weitere
Nummer (das sanfte "Häxprocess") sowie eine gehässige Ansage von Mikael Åkerfeldt gewürdigt: "Wir müssen
mindestens noch ein Stück davon spielen. Das ist das einzige, womit ich meine Mutter stolz auf mich machen kann. Du hast so eine schöne Stimme,
Mikael. Du braucht nicht immer so schrecklich zu grunzen...".
Prägnanter waren ausgesprochen knallige, spielfreudig ausgesponnene Versionen von "Ghost Of Perdition", "White Cluster"
(von der "Still Life"-Großtat), "Hope Leaves", die melodische Ruhepause "Deliverance" (mit traumhaften Gitarrensoli),
"Hessian Peel" und abschließend "Reverie / Harlequin Forest". Mikael unterhielt in vorzüglicher Plauderlaune sein Publikum
mit der Anekdote, dass er und Basser Martin Mendez nur Stevie Wonder gehört habe, als sie ihr Album "Still Life" schrieben. Es fiel auf, wie
souverän sich Mikael und Fredrik Åkeson heutzutage mit Solo- und Rhythmus-Spiel bei den vielteilig verzahnten Kompositionen abwechseln (Mikael:
"Oft bereue ich, dass ich diesen Sch.. geschrieben habe. Weil das so verd... kompliziert ist, muss ich nüchtern bleiben, um das überhaupt
spielen zu können...").
Und es erweist sich, wie gut Joakim Svalberg den erst vergangenes Jahr ausgeschiedenen Per Wiberg (u.a. Spiritual Beggars) ersetzt, ohne ihn
allerdings je vergessen zu machen. "Blackwater Park", das Titelstück vom "Durchbruchs"-Album, bildete den würdigen Abschluss
eines selbst für Opeth-Verhältnisse besonders gelungenen Konzerts. Das allseitige Vergnügen wäre vermutlich nur durch zwei - zugegeben
hoch gegriffene - Wunscherfüllungen noch steigerbar gewesen: 1. ein gemeinsamer Jam von "Opethema". 2. Ein kleiner Ausblick auf das auf
dieser Tour u.a. in der Christuskirche in Bochum absolvierte Akustik-Set beider Bands.