Als Frontmann jener legendären, nach einer deutschen Designschule benannten 80er Kultband hat Peter Murphy
Musikgeschichte geschrieben. Den seit Jahren an ihm haftenden Titel "Godfather of
Goth" hatte er sich in den aktuellen Promotexten allerdings verbeten. Ein zaghafter Versuch,
aus dem Schatten der eigenen Vergangenheit zu treten? Tatsächlich entwich dem
mittlerweile 52-jährigen beim Hamburger Konzert ein zünftiges
"Fuck Bauhaus, I’m here!". Die Menge lachte. Aber sehnte sich natürlich
doch nach dem einen oder anderen Überhit aus den guten alten Zeiten. Auf die Bauhaus-Songs
mussten die Fans eine ganze Weile warten. Aber Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude.
Bis es endlich soweit war, sorgten eine Vielzahl von Stücken aus Murphys üppigem
Solo-Werk sowie einige aktuell aufgenommene "Secret Covers" für kurzweilige Unterhaltung.
Mit ca. 200 Zuschauern hatte sich eine für die Größe der Fabrik doch etwas zu kleine Fanschar vor der Bühne versammelt.
Hat womöglich der Eintrittspreis von 35 EUR einige Leute abgeschreckt? Aber auch bei wenigen Zuschauern ist die Fabrik
eine sehr gemütliche Location. Der Funke sprang über, und man fühlte sich fast wie im kleinen Club um die Ecke
- mit dem Star zum Anfassen. Murphy entpuppte sich als charmanter Unterhalter, der immer wieder das lockere Gespräch
mit dem Publikum suchte. Und wir mussten zugeben, dass er auch im fortgeschrittenen Alter eine äußerst
charismatische Erscheinung abgab. Die dünner gewordene Haarpracht versteckte er wahlweise unter schwarzer Kapuze
oder schickem Samthut und schwebte über die Bühne, fast wie ein junger Gott.
Ganze zwei Stunden spielten Peter Murphy und seine Band. Die Band pflegte einen soliden, rockenden Stil, was an der einen oder anderen Stelle vielleicht etwas zu verrockt und zu wenig gruft-knarzig daher kam. Murphy wirbelte und gockelte über die Bühne, suchte die große Geste und ließ die Federboa, die aus seinem schwarzen Lederoutfit heraushing, flattern. Zwischen die vielen Solo-Stücke im ersten Teil des Sets (u.a. der Opener "Things To Remember", "Disappearing" und "Marlene Dietrich's Favourite Poem") gesellten sich zwei Cover-Versionen: der beschwingte Sixties-Klassiker "Instant Karma" von John Lennon gefiel auch in düsterer Version. Das sich sehr langsam aufbauende "Every Dream Home A Heartache" von Roxy Music entwickelte eine vergleichbare Intensität wie das Original. Erst gegen Mitte des Sets wurde die erste Bauhaus-Nummer angestimmt: es war aber keineswegs einer der alten Über-Hits, sondern "Too Much 21st Century" vom 2008er Album "Go Away White", das die Band posthum 25 Jahre nach Auflösung eingespielt hatte.
Im Zugabenteil war es endlich soweit: Murphys wunderschönes Solo-Akustik-Stück "Strange Love", in dem er selbst
zur Gitarre griff, ging in einem Medley über in "Bela Lugosi’s Dead". Und danach wurde gerockt:
dem alten Bauhaus-Hit "The Passion Of Lovers" folgte "She’s in Parties". Bowies
"Ziggy Stardust" schloss sich nahtlos an - und machte klar, dass Goth und Glam gar nicht
so weit auseinander liegen, wie manch einer womöglich meint. Murphys tiefe, eindringliche Stimme scheint
geradezu prädestiniert dafür, David Bowie-Songs zu covern. Es folgte Joy Divisions
"Transmission", das Murphy bereits mit Bauhaus auf deren 2005/06er Tour ins
Programm genommen hatte: allerdings wird besagte zu sehr "verrockte" Darbietung
gerade diesem Stück nicht gerecht. Bei Bowies "Space Oddity" lag die Band
am Boden und schaute zum Himmel. Ob Major Tom wohl inzwischen zu Hause ist? Wir jedenfalls
schwebten zufrieden von dannen, nicht ohne dem Altmeister und seiner Band zuvor lange Applaus gespendet zu haben.