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Unweit der Columbiahalle ein Imbiss. Als Portishead vor zehn Jahren zuletzt im Lande waren, hat es dort vermutlich
kaum anders ausgesehen. Menschen reden sich im Vorprogramm ihre Blutfettwerte schön. Zum Hauptgang dann
Transport des verklärten Gestern ins Heute. Daraus ein Ganzes formen. Das Warten ist Alltag. Die drei
Briten produzierten auf ihrem neuen Album "Third" den subtilsten aller denkbaren Soundtracks dazu.
Doch in dieser anderen Welt hier ist es Robbie Williams vorbehalten, müde Gesichter zu umschmeicheln.
"Everybody's talking at me /I don't hear a word they're saying / Only the echoes of my mind" - Harry Nilsson aus der Konserve der Columbiahalle hingegen
verdient mehr Erwähnung als der schlurfige schottische Support Kling Klang. Treffende Beschreibung, dieser Song aus dem Jahr 1968,
der vielleicht recht gut einen Teil des Weges beschreibt, den Portishead in den vergangenen Jahren (in sich) gingen. In der Halle
glückliche Gesichter schon vor dem Konzert. Man ist dabei, fällt in mitgebrachte Arme. Viele Ticketsuchende vor der
Tür dagegen nicht. Der Weg hierher führte an qualmenden Kraftwerken und kalten Industrieanlagen vorbei. Im Kontrast
dazu legt sich eine Idee von Vorfrühling in die Luft.
In etwa das ideale Bild, um zu beschreiben, wie sich Portisheads neue Stücke in das bereits legendäre edle Altmetall
einfügen. Wie sich zum Beispiel das Industrial-affine "Machine Gun" zwischen "Cowboys", "All Mine"
und "Over" macht? Die Antwort ist banal: Als wäre es schon immer dagewesen! Was Portishead einst erfanden, wird
jetzt in breiter Spur ausgelegt und teils vollkommen neu zusammengefügt. Eine zerrissene visuelle Symmetrie im Hintergrund
verleiht dem Auftritt noch mehr Balance. Selbstredend macht sich Gänsehaut breit, wenn das Intro zu "Humming"
durch den pickepackevollen Saal schwebt.
Und Frau Gibbons, die sich zu Beginn natürlich mit dem Rücken voran aus dem Schatten schält, scheint wortwörtlich
dauerhaft entrückt. Festgeklammert in der Pose, die Augen nur zum Nötigsten und ohne viel Ausdruck geöffnet. Irgendwann
aber platzt selbst aus dieser Ikone purer Konzentration ein kurzes kräftiges Lachen. Frenetisch bejubelte neunzig Minuten
schreiten so im bekannten Tempo voran.
Alles passt. Die glasklare, manchmal opernartige Performance der Beth Gibbons. Der komplexe Sound, welchen zu erzeugen es mehr als
nur den dreiköpfigen Kern der Gruppe benötigt, kommt auch noch im hintersten Winkel der Halle als heller akustischer
"P"-Punkt auf dunklem festen Untergrund an. Wir erinnern uns noch kurz an 1998. Portishead hatten alles erreicht,
so dachte jeder. Zehn Jahre später erst ist nun ein faszinierendes Tryptichon entstanden. "We Carry On" als letzte
Zugabe und Botschaft zugleich. Wo das hinführen soll!? Das Warten wird wieder Alltag werden.