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Gesehen! Portugal. The Man / 25.09.2008, Köln, Gebäude 9
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Text: Florian Sekula
Dass die aus der Asche der Hardcore-Band Anatomy Of A Ghost entstandenen Portugal. The Man weitaus mehr als nur eine kurzweilige Modeerscheinung
sind, haben sie abermals kürzlich mit ihrem dritten Album "Censored Colors" bewiesen. Mit neuem Keyboarder und einem
Rucksack voller frischer Songs gaben sich die sympathischen Alaskaner, die ihre eisige Heimat mittlerweile gegen das szenige Portland
eingetauscht haben, mit ihrem feurigen Genre-Potpourri aus Soul, Prog, Gospel und 60s-Rock im gut gefüllten Kölner Gebäude 9 die Ehre.
Ganz allein hält Sänger und Gitarrist John Gourley seine Band zusammen. Der Protagonist des Auftritts steht schon nach dem Opener "Church Mouth" zweifellos fest.
Dennoch wirken die Jungspunde aus dem hohen amerikanischen Norden, die an diesem Abend durch eine Background-Sängerin ergänzt werden, wie eine unerschütterliche Einheit. Ob mit der schneeweißen Jazzgitarre, die Gourley eng um die Schultern geschnürt hat, mit dem zusätzlichen Drumset, mit dem Ryan Neighbors, der neue Mann an Bord, markante Akzente setzt, oder mit rötlich schimmernden Rauchschwaden, in denen die Bühne zum Großteil versinkt - diese Band weiß, wie ein intensives Bühnenerlebnis geschaffen wird. Obgleich bei ihrem Auftritt ein gewisser Hang zur Selbstdarstellung mit durchschimmert.
Immer wieder verspürt Gourley den Drang, die Kapuze seines Hoodies zentimetergenau auf seinem Kopf zu platzieren. Und auch Bassist Zach Carothers verliert sich hin und wieder in epileptisch anmutenden Zappelentladungen. Spielfreude und die Fähigkeit, mit authentischer und mitreißender Bühnenpräsenz für ein eindringliches Konzerterlebnis zu sorgen, kann dem Quartett allerdings niemand absprechen. Ließen Gourleys Falsettgesang und die Prog-Einflüsse ihres Debütalbums an Mars Volta denken, unterstreicht die Band diesen Eindruck noch durch die Art, wie sie bei Live-Auftritten die Songs zerstückelt, sie mit Jams und Effektspielereien auffüllt und nahtlose Übergänge schafft. Obendrein ein Beweis, wie gut die Band aufeinander eingespielt ist. Im Gegensatz zu ihren Vorbildern aus El Paso, die mittlerweile vollständig auf Publikumskommunikation und Pausen verzichten, dafür lieber drei Stunden mit einer ununterbrochenen Salsajazzproghighspeed-Darbietung über die Bühne fegen, sammeln Portugal. The Man mit gefälligen Zwischenkommentaren zusätzliche Sympathiepunkte.
Einem perfekten Konzerterlebnis steht an diesem Abend lediglich die unbefriedigende Soundabmischung im Wege, die vielen ausufernde Jams dank eines undurchdringlichen Soundallerleis zum Verhängnis wird. Auf den regulären letzten Song "Aka M80 the Wolf" folgt als Zugabe ein mitreißender Regentanz voller Trommeln, Rauch, Hitze und griffsicheren Gitarrenkniffen, die schließlich den Verdacht zur Tatsache erheben: Portugal. The Man sind doch mehr Kunst als Mode.