Am sechsten Tage erschuf Gott ... den Stromausfall: Day Six aus den Niederlanden
eröffneten den dritten Festivaltag zwar furios und
vielversprechend mit ihrer Mixtur aus Rush-getöntem Progrock mit
Jazz-Elementen sowie einem Wakeman-verdächtigen Keyboard-Solo,
mussten aber doch erleben, dass nach dem zweiten Lied ein gehimmelter
Bass-Amp die Hauptsicherung mit ins Grab nahm.
Jon Oliva's Pain
Laute Rufe nach
"Schlagzeugsolo" etc. blieben unerhört, dafür
aber erschien die Band nach der Fehlerbehebung bestgelaunt zur
zweiten Hälfte ihres Sets. John & Jon beschrieben den
Sänger/Gitarristen Robertus Antonius Fransiscus recht treffend als "Bryan Adams
scary younger brother". Das wild grimassierende Energiebündel ist ein echter Bühnenmittelpunkt,
der in einem Solo von Jazz-Figuren zu Powerchords zu wechseln
imstande ist. Die Band bot einen besonders interessanten Stilmix, der
Interesse für ihr zweites, noch nicht erschienenes Album weckt.
Meyvn aus Austin/Texas führten das Programm in härtere,
geradlinigere Bahnen zurück. Richard Clarks bisweilen leicht
quengeliger Gesang war zunächst etwas gewöhnungsbedürftig,
aber ab "How Far We Fall" vom aktuellen Rundling
"Splintered Skies" stellte auch das kein Problem mehr da.
Auch das an Dream Theater gemahnende "Seize" und die
Prog-Ballade mit Shredding-Teil "Future Untold"
überzeugte von Minute zu Minute mehr. Bassist
Ken Liao erinnert nicht nur optisch ein wenig an John Myung, auch
sein virtuoses Zehnfinger-Tapping schindet vergleichbaren Eindruck.
Der sympathische Haufen war offensichtlich überglücklich,
das ProgPower bespielen zu können. Und das Publikum war es mit
ihnen.
Nach diesem Auftritt hatten es Circus Maximus aus Norwegen
nicht leicht, einen Fuß in die Tür zu
bekommen. Ihre (uns zuvor nicht bekannte) Musik lässt sich als
nochmals zuckerigere Ausgabe von Kamelot beschreiben. Und
Pomp-Progrock à la "Abyss" vom aktuellen Album
"Isolate" kam sichtlich nicht überall in der
inzwischen dichter gefüllten Halle an. Inzwischen war
beispielsweise wie jedes Jahr die niederländische Prog-Legende
Arjen Lucassen (Ayreon, Ambeon, Star One) in der Halle erschienen. Und
auch Marcel Coenen (Sun Caged, Storm Rider, Time Machine, Solo) ließ
sich wie stets blicken. Circus-Gitarrist Mats Haugen, der manchmal
einen gediegenen David Gilmour gab, und Sänger Michael Eriksen
sind zweifellos gute Techniker. Aber das Posing des sonnenbebrillten und ununterbrochen
kaugummikauenden Eriksen war nicht jedermanns Fall.
Zeit also für die
Münchner Dreamscape.
Die führten sich mit mehreren melodiestrotzenden Visitenkarten
aus ihrem hervorragenden Album "5th Season" ein: Einen
besseren Konzertstart als das ohrverwurmende "Different",
das Zähne zulegende "Déja Vu", das
piano-basierte "Somebody" kann es kaum geben.
Verbesserungsfähig jedoch die interne Kommunikation: Die Band
würgt Versuche des vorzüglichen Sängers Mischa Mang,
mehr als zwei Worte lange Ansagen ans Publikum zu richten, in schöner
Regelmäßigkeit mit Phon-Gewittern ab. Stattdessen gelang
es ihm aber, größere Mengen von Promo-CDs in den vorderen
Reihen zu verteilen. Mit Wolfgang Kerinis hat die Band einen der
versiertesten Gitarristen des gesamten, in dieser Hinsicht nicht
armen Festivals am Start, der beim Longtrack "End Of Light"
sein ganzes Können zeigte.
Abermals stark geteilte
Meinungen gab es zur vorletzten Band des Abends, Sieges Even.
Die deutsche Prog-Institution hatte sich 2005 nach achtjähriger
Pause mit neuem Sänger Arno Menses reformiert. Und seither zwei
Alben abgeliefert, die sich doch deutlich von den bisherigen
Frickel-Großtaten entfernt haben. Das aktuelle "Paramount"
zeigt sogar dezente AOR-Verweise. Spieltechnisch weiterhin über
jeden Zweifel erhaben zeigte auch der ProgPower-Auftritt die
Bewegungen des Quartetts in Richtung Zugänglich- bis
Süßlichkeit. Das kam teilweise gut beim Publikum an,
andere waren zwangsläufig enttäuscht. Wieder andere konnten
sich mit alten Stücken beispielsweise vom Götteralbum "A
Sense Of Change" trösten, die auch vom aktuellen Line-Up
großartig interpretiert wurden. Beispielsweise "The
Waking Hours" oder "These Empty Places" ließen
keine Wünsche offen, weder beim arschtighten Spiel der
Holzwarth-Brüder, bei Markus Steffens gestanzten Soli, noch beim
klaren Gesang des Niederländers Menses, dessen positive, ja
glückliche Ausstrahlung auffiel.
Totaler Szenenwechsel:
Von Jon Oliva’s Pain hatten wir hauptsächlich
Reproduktionen des Bandmaterials von ihren zwei ordentlichen, aber
nicht weltbewegenden Eigenveröffentlichungen erwartet. Davon gab
es aber nur "Maniacal Renderings". Stattdessen brannte
die Band um den mittlerweile nicht nur vom Körperumfang her
stark an die Star Wars-Figur Jabba The Hut erinnernden Oliva ein
wahres Feuerwerk aus alten Savatage-Stampfern ab, darunter
"Warriors", "24 Hours", ein köstlich-endloses
"Streets"-Medley, "Edge Of Thorns", eine
fulminante Version von "Gutter Ballet" und schließlich
"Hall Of The Mountain King"…
Wer das aktuelle
Line-up von Savatage gesehen hat, weiß, dass es an die von Pain
gebotene Intensität, Spielfreude und –stärke nicht
annähernd herankommt. Und auch bei im Original von Zak Stevens
gesungenen Nummern überzeugte Oliva vollkommen, wobei er
unausgesetzt kiffte, sich bei laufender Show erstaunliche Mengen
Jägermeister servieren ließ und sein Publikum mit einem
Grinsen musterte, für das andere in Zwangsjacken gesteckt werden
würden. Ein Toben wie noch selten bei diesem an und für
sich schon begeisterungsfähigen Publikum verabschiedete die
Truppe. Und setzte für all jene das Zeichen zur Rückfahrt,
die sich nicht noch auf die berüchtigte After Show-Party
einlassen wollten oder konnten.
Die Ausgabe zum
zehnjährigen Jubiläum des ProgPower Europe wird am 03. bis 05.
Oktober 2008 stattfinden. Mit Division By Zero ist bereits eine
attraktive Band bestätigt.