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Gesehen! ProgPower Europe Festival / 01.10.2011 (2. Tag), Baarlo (NL), Sjiwa

Die ersten werden die Besten sein

Text: Klaus Reckert      Live-Fotos: Tobias Berk

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Ein neuer Tag. Die Hochgenüsse des gestrigen sind - mehr oder weniger - verdaut. Das gehört auch so, denn mit Schizoid Lloyd, White Walls, In Mourning, Long Distance Calling und schlüsslich Symphony X liegt ein ProgMetal Day in Heavy Duty-Qualität vor uns. Für den wir uns bei herrlichstem Sonnenschein bei einem auf dem Schlossinnenhof eingenommenen Frühstück stärken konnten. Ins kuschlige Baarlo und zum Sjiwa zurückgekehrt, erwies sich alsbald wieder einmal das alte Sprichwort als richtig: Halt besser einfach die Klappe, wenn Du eine Band so gar nicht kennst!

Long Distance Calling

Long Distance Calling

Denn zumindest für unsereinen war Schizoid Lloyd zwar zunächst einmal Terra Incognita, spätestens nach dem zweiten Song aber einer der Glücksgriffe des gesamten Festivals! Die Niederländer sind blutjung, brülllaut, kackfrech und begeisterten uns mit dem vielleicht mutigsten Stilmix des Tages. Swing, Heavy Metal, Radiopop, Vaudeville, Polka, Funk, Samba - alles das taucht in dem humorigen Varieté der Schizos mal auf. Die vom Drummer über sein relativ kleines Pearl-Kit verwalteten Tempiwechsel können die geistige Gesundheit sensibler Naturen sicherlich gefährden. Der Tastenmensch, ein Knabe im Holzfällerhemd, entlockt seinen Keyboards alles zwischen Kirchenorgel-, Panflöten- und authentisch wirkenden Oboen-Sounds und trägt damit ebenso zur Vielfalt bei, wie der sowohl unverzerrte, wie auch tiefe Growls aufweisende Gesang. Die optische Präsentation verlieh dem gelungenen Auftritt der Truppe mit viel Schwarzlicht auf sonst dunkler Bühne, einigen Projektionen und viel Stroboskop weitere effektvolle Akzente. Der eigenen Setlist nach wurden u.a. zu Gehör gebracht: "Gnoerft", "Rif", "NL", "Circus" (vgl. YouTube-Link), "SymFo", "Thoms" oder "Rof". Und immer noch ärgere ich mich, dass ich die EP der Band nicht gleich nach dem Set gekauft habe - am Sonntag waren keine mehr da...

Vom Schizo-Schock konnte sich der Mainstream-Fan nun bei White Walls erholen. Ihre Einflüsse beschreiben die Rumänen wie folgt: The Postman Syndrome, Textures, The Ocean, Between The Buried And Me, Opeth, Tool, Karnivool, Protest The Hero and Extol. Davon zeugten auch die teilweise neben gutem, klaren Gesang eingesetzte Zerr-Vocals sowie die tief gestimmten Gitarren. Dennoch schien sich das hier Gebotene mehr im traditionellen Metal als im progressiven Bereich zu bewegen. Das Debütalbum "Mad Man Circus" kann man übrigens >> hier gratis herunterladen. Stücke wie "The Lost Art Of Photography" kamen jedenfalls live gut über die Rampe - wie gesagt: das Publikum war vermutlich einfach dankbar für etwas begreiflichere Musik nach der Eröffnung des Tages...

Wie ein Uhrwerk folgten jetzt Ab- und Umbau für die folgenden Bands - erleichtert dadurch, dass sich die frühen Acts zwei Marshall- und einen Bass-Stack sowie teils sogar ein Drumkit teilten, das simpel auf der Bühne verblieb. Die jetzt In Mourning gehörte. Die Schweden hatten sich uns gegenüber am Vorabend im Kasteel schon als "die härteste Band des Festivals" geouted. Und kaum zu viel versprochen. Ihr ProgMetal ist recht nah am MeloDeath oder gar ProgressiveDeath gebaut und erinnerte in mehr als einem Moment an ältere Opeth, u.a. durch die bei aller Härte stets sehr melodischen Leads. Es wurde nur verzerrt gesungen. Die Tracks eines starken Sets: "Pale Eye Revelation", "Amnesia", "Smoke", "Shrouded", "For You To Know", "The Poet And The Painter Of Souls", "Black Lodge". Typisch für das PPE: Während des Auftritts von In Mourning findet sich alsbald auch die komplette White Walls-Truppe im Publikum wieder, die alles fasziniert verfolgt. Und zwar nicht wie sonst häufig zu beobachten als Mucker-Polizei mit verschränkten Armen und Übles verheißender Miene, sondern ausgesprochen angetan vom Gebotenen. Genau so mischen sich das ganze Wochenende auftretende Musiker (oder auch welche, die dieses Jahr nicht dabei sind) unter’s Publikum, trinken, feiern und diskutieren mit.

Der Symphony X-Klon DGM - derzeit sogar gerade Vorgruppe der Symphoniker auf deren aktuellen Europa-Tournee - hatte beim Rezensenten schon beim Gastspiel auf dem 2007er PPE die Schuhe fest geschlossen gelassen. Von daher entzog man sich nun gerne dem dauergaloppelnden PowerMetal durch Spaziergänge und Nahrungsaufnahme. Muss auch mal sein. Gewährsmänner und -frauen sprachen aber von einem engagierten Auftritt der Italiener und durchaus enthusiastischer Aufnahme seitens des inzwischen wohl ausverkauften Hauses - und die Bilder unseres Fotografen Tobias Berk sprechen eine ganz ähnliche Sprache.

Zeit für ein Ferngespräch. Den Instrumentalfünfer Long Distance Calling mit Filialen in Berlin, Dortmund und Münster hat bei vielen Kritikern seit den ersten Lebenszeichen im Jahr 2007 den einen oder anderen Steinbruch im Brett. Für diese Truppe hatte PPE-Impressario gegen eine jahrzehntelang gepflegte, heilige Scheu vor Instrumental-Bands verstoßen - und es wohl nicht bereut. Denn obwohl dieses Konzert wohl in so ziemlich jedem Punkt anders war, als die bisherigen und folgenden des Festivals, so war es doch recht eindeutig eines der Highlights. Nur der eine oder andere Die-Hard-Metal-Fan flüchtete zum Hamburger-Bräter, der verbliebene Pit aus ca. 300 Proggies aber gab sich begeistert der einzigartigen Musik von LDC hin. Bassist Jan Hoffmann dirigierte das Geschehen, warf Themen ein, die dann von allen sukzessive ausgebaut wurden, bis mit Songperlen wie "The Frigin D'an Boogie", "London Is Calling", "I Know You, Stanley Milgram" oder - abschließend - "Metulsky Curse Revisited" eine köstliche Wall of Sound entstand.

Jeder andere hätte es hiernach vielleicht schwer gehabt. Nicht so natürlich Symphony X. Ab "Iconoclast", dem Titelstück des aktuellen Albums, war das Auditorium komplett hörig. Und übrigens auch allmählich nahezu bewegungsunfähig, denn voller als beim Auftritt von Michael Romeo & Co. war es im Sjiwa wohl noch nie. Schlag auf Schlag folgten: "(The End of) Innocence", "Dehumanized" (hier pausierte Sir Russel Allen erst mal, holte eine Kamera und knipste in aller Ruhe die tobenden Horden), "Bastards", "Messiah", das besonders melodische "When All Is Lost", "Children Of A Faceless God", "Heretic" (hier stellten sich übrigens auch die sympathischen Gesellen von LDC am Mixer ein), "Inferno", "Sins", "Eve". Verglichen mit beispielsweise Schizoid Lloyd war das alles freilich ungefähr so progressiv wie ein Verkehrshinweis im Radio. Aber es rockte erheblich. Die Zugaben waren "Serpent’s Kiss" und das hymnische "Set This World On Fire" - mit einem Traumsolo von Romeo. Dem Sir ist heute nichts zu schwör: Er parliert ständig mit seinem Publikum, bekommt von diesem Bier serviert, revanchiert sich mit Wasser - symphonischer PowerMetal 2.0! Einzige Kritik an einem Traum-Gig: Fast nur neues Material, kaum Älteres, nichts vom "V"-Album. Dennoch für viele der PPE-Höhepunkt so far.

 

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Links:

>> Festival-Info Festival-Info ProgPower Europe 2011 bei POP FRONTAL

>> Homepage ProgPower Europe

>> Video "Schizoid Lloyd - 'Circus' @ PPE 2011" bei youtube.com

>> Video "Long Distance Calling @ PPE 2011" bei youtube.com

>> Homepage Schizoid Lloyd

>> Homepage White Walls

>> Homepage In Mourning

>> Homepage DGM

>> Homepage Long Distance Calling

>> Homepage Symphony X

 

 

Schizoid Lloyd

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White Walls

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In Mourning

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DGM

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Symphony X

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