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Gesehen! Riders on the Storm / 15.04.2006, Dortmund, Westfalenhalle 1
Wo bitte ist das Salz?
Text: : Carlo G. Reßler
Ostersamstag vor der riesigen Westfalenhalle in Dortmund: die vielen Parkplätze
sind fast leer, keine Schlangen bei der Einlasskontrolle, dazu "Secondhand-Tickets"
zu Dumpingpreisen. Hier soll heute ein großes Konzert stattfinden –
fast unglaublich. Doch auf dem Plan stehen keine geringeren als The Doors oder
neuerdings Riders on the Storm, wie sich die Band wegen eines scheinbar ewigen
Namensstreites mit ihrem (Ex-) Drummer John Densmore nun nennt. Nostalgie und
Magie pur also, doch wo sind eigentlich die Fans?
Seit nunmehr 37 Jahren hat diese Band keine Tour mehr in Deutschland gemacht,
bis auf ein einziges überragendes Open-Air-Konzert vor zwei Jahren in Bonn.
Doch in der verkleinerten Westfalenhalle finden sich zum großen Erstaunen
an diesem Abend nur ca. 2.500 Besucher ein. Liegt es an den teuren Tickets, dem
derzeitigen Überangebot der "Retro-Welle" oder dem neuen Bandnamen?
Wer weiß es schon genau...
Bekanntlich ist der einzigartige Jim Morrison seit 35 Jahren tot, doch zwei seiner
alten Weggefährten, der ewig "cleane" Ray Manzarek am Keyboard
und Gitarrenmaestro Robbie Krieger, sind seit dem Jahr 2000 mit neuem Schlagzeuger
(Ty Dennis) und einem zusätzlichen Bassisten dabei, auch live die Vergangenheit
wieder recht erfolgreich lebendig werden zu lassen. So waren ihre Shows in den
vergangenen Jahren auch stets ausverkauft. Als neuen Sänger haben sie seit
damals den 43jährigen Ian Astbury von The Cult dabei, ein stimmgewaltiger,
lebendiger Typ, der gerade am Comeback mit seiner eigenen Band arbeitet. Dessen
Stimme klingt in der Tat sehr nach Jim, doch eigentümlicherweise hält
er sich bei den Konzerten, statt als Frontmann Stimmung aufzubauen, sehr dezent
zurück (bis auf seine sehr eigenartigen Spuckeinlagen auf den Bühnenboden
nach jedem Song). Oft wirkt es ein wenig, als müsse sich der gute Mann in
Morrisons Schatten zurückziehen – schade eigentlich.
Und die Show selbst? Auf alle Fälle hochprofessionell, doch leider vollkommen
unterkühlt. Wenn man – wie viele der anwesenden Fans – das wohl
unvergessliche und zutiefst berührende, ausverkaufte "Gewitterkonzert"
von den Doors auf dem Bonner Museumsplatz 2004 erlebt hat, kommt es einem in der
spärlich besuchten Westfalenhalle wirklich sehr fade vor: es kommt kaum richtig
Stimmung auf, und so fehlt einfach die richtige Würze beim Gig. Die allen
bekannten Doors-Songs wie "Light My Fire", "Whiskey Bar" oder
"L.A. Woman" sind zwar die gleichen und werden von Krieger und auch
von Manzarek noch immer mit großer Virtuosität und Spielfreude präsentiert.
Doch die Show hat etwas Erstarrtes, vor allem, weil Ian Astbury seine Präsenz
und sein Können nicht richtig einbringen "darf". Er sagte zwar
jüngst im Interview, dass die Musik der Doors für ihn "purer Sex"
sei, doch anmerken konnte ihm das leider keiner.
Während sich bei den minutenlangen Solopassagen die alten Doors-Veteranen
richtig an ihren Instrumenten austoben - Ray Manzarek spielt z.B. bei "Break
on through" sein digitales Keyboard mit Händen und Füßen
und der ewig junge Robbie unternimmt weite Ausritte mit seinem unverwechselbaren
Gitarrensound -, tritt Astbury meist in den Hintergrund der Bühne zurück.
Das war vor zwei Jahren deutlich anders. Ist sein Respekt vor dem Vorbild Morrison
zu groß geworden oder liegt es vielleicht aber an Manzareks deutlich sichtbarem
Bedürfnis, als unumstrittener heutiger "Mastermind" der Band nach
über 30 Jahren wieder im Mittelpunkt zu stehen? Auf alle Fälle geht
so leider die große Chance verloren, aus den alten Kräften des unverwechselbaren
Doors-Sounds und der Lebens- und Stimmkraft von Ian Astbury etwas Neues Nachhaltiges
zu erschaffen, in der Westfalenhalle fehlte an diesem Abend jedenfalls ganz klar
das Salz.
Man darf jedoch gespannt sein, ob es 2007 (zum "40 Jahre Doors"-Jubiläum)
wie angekündigt tatsächlich eine echte neue Platte der jetzigen Band gibt.