Chef im Ring waren an diesem Samstag unangefochten die R.A.R.-Veteranen
Metallica. Bis die allerdings endlich an der Reihe waren, gab es noch
jede Menge musikalischer Angebote, die von In Flames bis zum Gestöhne
Mannheims reichten. So zum Beispiel der Indie-Poprock von Kate
Nash, die mit ihrer fetzigen Mischung aus Cranberries, Eddie Brickell und
Tori Amos Höhepunkte ihrer jungen, auf MySpace begonnenen
Karriere bot, darunter das viele Fans zum Mitsingen animierende
"Mouthwash". Aber auch "Birds", "Pumpkin
Soup" und "Foundations" gaben ein prächtiges
Kontrastprogramm zu beispielsweise den singenden Barthecken von
Madsen ("Die Perfektion") ab.
Manic Street Preachers
Oder auch zu den schwedischen Brandstiftern von In
Flames. Bei
noch strahlendschönem Wetter erteilten Anders Fridén und
Co. den gefügigen Massen eine heftige Lektion in Sachen Melodic
Death Metal. Zu Stücken wie "Transparent" (mit
phantastischen Soli von Gitarrist Jesper Störmblad) bildeten
sich Moshpit-Phänomene, die wie Mauerbrecher auf die Bühne
zurasten. Vom "Laubengang" über der Boxengasse war das
prächtig anzuschauen, direkt vor dem Fotograben aber gab es
natürlich Verletzte. Darauf folgten "Come Clarity",
dann leicht bizarre Fußballansprachen und endgültig
absurde Product Placement-Einlagen für ein hier nicht genanntes
Softdrink-Mixgetränk seitens des wortgewaltigen Schweden. "I
don't care how old you are or if you happen to have just one leg –
I want you to JUMP", verlangte er dann, den Song "Only For
The Weak" einleitend. Und
bekam seinen Willen. Soweit das Auge reichte, wogte es auf und nieder
wie eine gigantische Hüpfburg aus Menschen. Ein ordentlicher
Zugabenteil einschließlich "Take This Life" bildete
den würdigen Schlusspunkt.
Wer vor der Center Stage verharrte, erfuhr mit dem Auftritt von Nightwish
jetzt ein krasses Wechselbad. Zahllose Fans der Finnen sind ja bis
heute nicht recht über den Rauswurf von Tarja Turunen
hinweggekommen, die inzwischen durch Anette Olzon ersetzt wurde. Dass
gleich zu Beginn das Mikro der sichtlich nervösen Dame noch
nicht offen war, schien irgendwie programmatisch. Auch noch so viel
Pyro-Einsatz im Verlauf des ziemlich manierierten Auftritts konnte
nicht darüber hinwegtäuschen, dass wohl eine Mehrzahl der
Fans nicht wirklich angetan von den Neuinterpretationen von
Kuschelrock-Songs wie "Amaranth" oder "Nemo" war.
Als jemand, der auch schon die alten Nightwish nie ernst nehmen
konnte, vermochte man sich immerhin darüber zu freuen, dass "die
Neue" wenigstens ein wenig kehliger und natürlicher
intonierte, als die Opernsängerin Turunen – dafür
aber eben auch weit weniger virtuos.
Großes Kino boten auf der Alterna Stage die Manic
Street Preachers, die unsereiner seit den späten Neunzigern eigentlich gar nicht
mehr auf dem Zettel hatte. "Umbrella" oder "Motorcycle
Emptiness" rissen die Massen alsbald mit. Der schöne
Satzgesang und die jubelnden Les Paul-Soli von Sänger/Gitarrist
James Dean Bradfield bei "If You Tolerate This" beschworen auch die Glanzzeiten von "This
Is My Truth…" herauf – eine schöne
Überraschung!
Mit
The
Offspring
hüpfte sich sodann auf der Center Stage eine deutlich gealterte
Boy Group warm. "Come Out And Play (Keep 'Em Separated)", "Hammerhead",
"What Happened To You", "(Can’t Get My) Head
Around You", "Self Esteem", "All I Want" –
die Truppe um Noodles durfte erleben, dass sowohl älteres wie
teils auch neueres Material recht textsicher mitgegröhlt wurde.
Vom zeitweiligen Beobachtungspunkt direkt neben dem vom Deutschen
Roten Kreuz, freiwilliger Feuerwehr u.a. betriebenen "Medical
Center" gewann man einen nochmals anderen Blick auf den Auftritt
der Punkrocker: Während es zuvor dort noch einigermaßen
ruhig zugegangen war, liefen nun binnen 20 Minuten über 40
Geschädigte und Verletzte am Stützpunkt ein. Darunter
fanden sich natürlich Fälle, die offensichtlich in keinem
direkten Zusammenhang mit der Noodles-Truppe standen, denen etwa mit
Magenpulver oder Kondomen ausgeholfen werden konnte. Doch es blieb
erschreckend, wie oft seit dem Offspring-Auftrittsbeginn auch die
Jungs mit der Krankentrage ausrücken müssen, um teils stark
Blutende in die Station zu holen. In einem Fall musste sogar der
Rettungswagen mit einem Patienten losrasen, dem vor Ort nicht zu
helfen war. Beruhigend hingegen zu sehen, dass dieses Festival sogar
mit einem "Notfallseelsorger" gesegnet ist.
Warten auf Metallica.
Das wird allerdings deutlich von Stephanie Tückings derbdoofen
"Moderationen" versüßt. 30 Minuten vor Stage
Time: "Habt Ihr Bock auf Metallica?" Weitere zehn Minuten
später: "Auf WEN wartet Ihr?" Zehn Minuten vor dem Gig
"Wartet Ihr immer noch auf Metallica?" Das ist so
professionell wie originell, das hat einfach Esprit, das kann sich
fast mit Marta Jandovás legendären Ansagen messen!
Weitere Abwechslung verschaffte die nette Szene, als ein Trupp
Anfangzwanziger lautstark seinem Unmut darüber Luft verschaffte,
dass die Babyshambles nicht aufgetreten waren. "Pete ist
bestimmt wieder auf Droge", schimpften sie. Und konnten nicht
ahnen, dass der – dem Vernehmen nach allerdings unglaublich
fade – Auftritt sehr viel später doch noch nachgeholt
werden würde.
Der Ring röhrt
Viertel nach zehn hatte das Warten ein Ende, zu den bekannten
Morricone-Klängen erklimmt die Legende Metallica die Center
Stage. Schien bei "Creeping Death" der Sound noch etwas
mulmig, stimmte ab "For Whom The Bell Tolls" akustisch
alles. Positiv auffallend auch, dass auf den drei gigantischen
Projektionsflächen nicht etwa nur ein stumpf abgefilmtes
Kamerasignal, sondern zwei gewissermaßen "produzierte"
und geschnittene Bilder mit vielen Effekten gezeigt wurden. James
Hetfields Aufforderung "I want you to SING it" führten
zu diesem Zeitpunkt allerdings noch zu keinem deutlich hörbaren
Resultat. Weiter ging's mit "Ride The Lightning" und argem
Geschleime Hetfields: "Ihr wisst ja, dass Rock Am Ring unser
Lieblingsfestival ist". Das machten sie aber mit "Harvester
Of Sorrow" wieder gut, das von einem starken "Bleeding Me"
noch getoppt wurde. Auch bei "No Remorse" gab es nichts zu
bereuen, ebenso wenig wie bei "Devil's Dance" und einer
komplex arrangierten Version von "… And Justice For All",
die mit zweistimmigen Gitarrenparts glänzte. Mit "Fade To
Black" nahm man das Tempo etwas zurück, um bei "Master
Of Puppets" wieder aufzudrehen.
Dann "Nothing Else Matters"
– und diesmal klappte es: Sogar unaufgefordert fielen
Zehntausende Stimmen ein. Hetfield hörte einfach auf zu singen,
denn – der Ring röhrt! Wer den Film "Some Kind Of
Monster" gesehen hat, dem mussten die konstanten Beschwörungen
der hart erarbeiteten neuen Band-Harmonie auffallen. "My Friend
Lars" war wohl Hetfields zweithäufigste Formulierung,
gleich nach dem ans Publikum gerichteten "We love you".
"Sad But True" wurde gefolgt von Artillerie-Samples, einem
Pyro-Einsatz wie einem kalifornischen Waldbrand und schließlich
das großartige "One". Zu "Enter Sandman"
ist die Bühne allein durch Feuerwerkskörper blutrot
gefärbt. Enorme Sympathiepunkte fahren Metallica noch dadurch
ein, dass sie nicht nur auf "our friends Saxon" verweisen,
sondern sogar ein paar Takte lang deren "Princess Of The Night"
anspielen. Biff & Co. hatten früher am Tag ihren
R.A.R.-Auftritt absolviert – von allen denkbaren Orten übrigens
ausgerechnet im Cola-Zelt. Flotte Fassungen von "Die, Die My
Darling" und "Motorbreath" rissen dann selbst die
Mosh-Müden nochmal hoch, bis es schließlich "Gut'
Nacht Nürburg" heißt. Nach der Zugabe "Seek And
Destroy" und vielen Kusshändchen seitens Lars, James, Kirk
und Rob war es dann auch tatsächlich zu Ende. Starker Gig einer
inzwischen wieder beeindruckenden Band, lohnende zwei Stunden!
Sollte man sich diesen tollen Eindruck jetzt wirklich noch durch neue
verwässern? Der Versuch ging jedenfalls erbärmlich schief,
denn was die Brit-Popper The Verve
kunstgeigentriefend mit ihrem alten Hit "Bitter Sweet Symphony"
oder auch mit "The Drugs Don't Work" veranstalteten, hatte
mehr von Reanimationsversuchen als von Revival. Vielleicht lag es ja
zum Teil an der von Richard Ashcroft auch in stockdüsterer Nacht
und inzwischen schnell steigenden Eifelnebeln getragener
Sonnenbrille. "Have you ever been down?" begehrte Ashcroft
zu wissen. The Verve waren das definitiv schon. Und hätten sich
vielleicht besser nicht wieder zusammengetan.