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Gesehen! Shades of Dawn / 23.08.2008, Bonn, Mausefalle 33 1/3
It's a New Dawn
Text / Live-Fotos: Klaus Reckert
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Großartig, das Progrock-Phänomen
Shades of Dawn in der eigenen Heimatstadt sehen zu können - und
dies dann noch auf Bonns wohl geschmackssicherster Clubbühne,
bekannt für größtmögliche Bandnähe und
faire Eintrittspreise. Mit im Verlauf des Abends steigender Tendenz
waren 30 bis (gegen Ende) 50 Gäste auf das kunstsinnige Angebot
eingegangen, das Konzert der Düsseldorfer zu besuchen. Und sie
wurden nicht enttäuscht.
Das sanfte Intro des noch in ruhigeren
Midtempo-Fahrwasser verharrenden "Plenty Of Gold" gefiel
durch die schönen Gitarrenlinien von Bandboss, Gitarrist,
Hauptkomponist und Sänger Hans-Jürgen Klein. Das
gleichfalls vom "The Dawn of Time"-Album stammende "Threads
of Reality" drückte schon etwas mehr auf die Bombasttube,
für die Shades of Dawn bekannt sind. Sehr positiv stachen hier
der live viel kräftiger und sicherer als auf der Album-Version
ausfallende Gesang Kleins und die zusätzlichen Klangfarben
heraus, die das Stück durch die Saxophon-Beiträge von
Bernhard Marx gewinnt, einem der beiden Keyboarder des Quintetts.
Das noch unveröffentlichte, für
das nächste Album "Graffity's Rainbow" geplante "Empty
Vessels" wird vom zweiten Tastenmann Peter Schneider gesungen.
Obwohl uns noch nicht vorab bekannt, beeindruckte es als eines der
stärksten Stücke des Abends. Die komplexen Arrangements,
die Tempowechsel (inklusive einer knalligen Marscheinlage) sowie die
starken, hängenbleibenden Melodien brauchen sich vor wenig im
selben Genre zu verstecken. Und das lässt sich als
seventies-beeinflusster Britprog der Provenienz Genesis, Camel, Yes,
Pink Floyd mit teils deutlichen Krautrock-Beimengseln beschreiben.
Beispielsweise beim nun folgenden "Thunder" erinnerten
Kleins Gesang und Schneiders Keys in vielem an große
Kraut-Vorbilder, der Rest an legendären Britprog.
Heftige Geschmackssache bleiben dabei
die deutlich unterscheidbaren Soundvorlieben der Tastenzwillinge:
Während Schneiders Keyboardturm symphonische, aber oft auch
etwas quietschige, im Extremfall bis hin zu Zahnarztbohrersounds
tendierende Klänge hervorbringt, scheint Marx mehr für fett
röhrende Orgel- sowie klassisch geschult wirkende Pianosamples
zuständig zu sein.
Jürgen Fritz' Triumvirat zu seinen
allerbesten Zeiten schien aufzuerstehen, als Marx das Magnum Opus
"Ulysses Rollercoaster" mit dem noch von seinem Vorgänger
Cyrill Stoletzky geschriebenen Flügel-Showpiece "Toccata
con fuoco" einleitete. Ein sahniges Wahwah-Solo von Klein
folgte, der inzwischen vollkommen warm geworden schien, auch schon
mal lächelte und in bester Zappa-Manier die Band dirigierte.
Seine Soli sind sehr songdienlich, gespickt mit auch mal langsam
jubelnden, geschmackvollen Tremolo-Passagen, und können, ohne
wirklich zu zitieren, ganz nach Wunsch mal mehr nach Steve Hackett,
mal nach Andy Latimer, mal nach Steve Rothery klingen.
Der Song mit dem leicht prätentiösen
Titel "The Silent Death of a Mother's Heart" hub mit einem
nahezu "dreckig" klingenden Gitarrenintro an. Noch
unveröffentlicht dann wieder "A Battle Won and Lost",
bei dem die etwas tiefere, kernigere Gesangsstimme von Drummer Struwe
neue Akzente setzte. "Lost In Reverie" und mit "The
Eternal Reoccurence Of The Same" abermals ein noch ungehobener
Schatz beschlossen das starke Konzert. Gerade der Rausschmeißer
begeisterte mit viel Dramatik, einem tollen Kopfstimmenpart von Klein
(wie von Geoff Mann/Twelfth Night auf "Sequences") und
wieder starken Pianopassagen. Insofern konnte man - jedenfalls im
Vergleich mit dem ja teils 14 Jahre alten Material von CD - mit dem
alten Grace Slick-/Woodstock-Zitat wirklich sagen: "It's a New
Dawn!"