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Gesehen! The Strokes, Eagles of Death Metal / 27.06.2006, Berlin, Arena Treptow
Last Night, Last Night
Text: Nico Schmidt
Bis auf eine Handvoll Promo-Konzerte, bei denen es stets schwer war, Karten zu
ergattern, hatte man in Deutschland eher selten die Gelegenheit, The Strokes in
Concert zu erleben. Auch als die Strokes Anfang diesen Jahres mit "First
Impressions of Earth" den dritten Silberling vorlegten, folgte zunächst
keine Tourankündigung für Europa. Dann Anfang März 2006 die Bestätigung:
Vier Auftritte in Deutschland, neben zwei Festival-Gigs zwei Club-Shows in Berlin
und Köln. Also auf - in diesem Fall nach Berlin-Treptow in die Arena.
Built to Spills "Keep It Like a Secret" tönt aus den Lautsprechern
der Arena, während sich die Türen für die insgesamt knapp 5.000
Zuschauer an diesem Abend öffnen. Doch bevor The Strokes von der Bühne
Besitz ergreifen, treten die Eagles Of Death Metal, einst unter Mithilfe von Josh
Homme aus der Wiege gehoben, ins Rampenlicht. Die ersten Jubelstürme des
Abends gehören sogleich Sänger und Gitarrist Jesse Hughes. Schuld daran
ist sein schwarzes T-Shirt mit gold-glitzerndem "The Strokes"-Emblem.
Dieser Mann scheint ein Gespür dafür zu haben, wie man die Massen begeistert.
Ein Gespür, das vonnöten ist, denn musikalisch kann sein Quartett an
diesem Abend beim Berliner Publikum nicht punkten. Lediglich eine Handvoll Anhänger
der Wüstenrocker haben ihren Weg vor die Bühne gefunden und werden dafür
entlohnt: Hughes wirft erst ein vollgeschwitztes Tuch, dann schließlich
sein Glitzershirt ins Publikum. Kurz vor Ende seines Sets, das immer wieder von
Oden an die Damen unterbrochen wird, findet er den Weg ins Publikum und lässt
sich die Gelegenheit nicht entgehen, kussgewandt einem weiblichen
Fan seine Sympathie zu demonstrieren. Wenig später geht das Licht wieder
an, kein Ruf nach einer Zugabe.
Als knappe dreißig Minuten später das Licht wieder erlischt, bricht
ein Jubelsturm los, der nicht enden soll, bis The Strokes mitten in ihrer ersten
Nummer "Juicebox" sind. Ein Lied, dessen Chorus die Kehlen der 5.000
antreibt mitzusingen. Eine riesige Geräuschkulisse baut sich auf und zerfällt
innerhalb von Sekunden wieder. Zwischen den Nummern üben sich die New Yorker
in Understatement. Kein Wort zu viel, man konzentriert sich auf das Wesentliche,
und das ist an diesem Abend ohne Zweifel die Musik. Die zuweilen kühl anmutende
Haltung Casablancas' ändert sich, als eine Flagge ihren Weg auf die Bühne
findet. Für Bruchteile von Sekunden soll sie ihm als Königsmantel dienen,
bevor sie wieder fallen gelassen wird. Später landet noch eine Hawaii-Kette
bei ihm, passend zur B-Seite von "Juicebox" (betitelt nach eben jener
pazifischen Inselkette), die später noch aus der Tasche gezaubert und live
dargeboten wird.
Die Energie des Publikums ist an diesem Abend geballt, die ersten Reihen befinden
sich so nah an der Band, wie wahrscheinlich einst nur Besucher der frühen
New Yorker Clubshows. Beinahe könnte man Nick Valensis Gitarre berühren,
würde man sich nur mehr strecken. Der aber tauscht schließlich seine
Gitarre gegen ein weißes Mellotron ein. Außer ihm und Julian Casablancas
verlassen alle Bandmitglieder die Bühne. Beim nun folgenden Song "Ask
Me Anything" verstummt das Publikum und stimmt schließlich mit ein.
Augenblicke, die von Magie geprägt sind und nicht enden sollten. Aber auch
dieses Set findet sein Ende, und zwar mit dem furiosen "Reptilia".
"We Want More!" - kein Publikum würde eine Band wie die Strokes
ohne eine Zugabe gehen lassen, und sie folgen dem Ruf der Menge. Unter dröhnenden
Rückkopplungen inszenieren Albert Hammond Jr., Nikolai Fraiture, Nick Valensi
und Fab Moretti einen Jam, der seinesgleichen sucht. Fab Moretti steht zunächst
mit dem Rücken zum Publikum und schlägt auf sein Schlagzeug ein, während
Hammond Jr. seine Gitarre dem Verstärker entgegen streckt. Valensi, der gerade
noch ruhig am Mellotron saß, knüppelt nun mit einem Drumstick auf seine
Gitarre ein. Ein Geräuschgewitter, das plötzlich in "New York City
Cops" mündet. Ein Stück, das die Band einst nach den Anschlägen
des 11. Septembers von ihrem Debüt nehmen musste. "New York City Cops,
they ain't too smart" - noch einmal ist diese Spannung da, während die
Band zum letzten Stück ansetzt. Inzwischen versorgen die Securities Menschen
in den ersten Reihen mit Wasser, da erklingt "Take It Or Leave It" als
fulminantes Schlussstück eines Konzertes, das in jeglicher Hinsicht in der
Erinnerung der Zuschauer bleiben wird. Denn wann die Strokes Deutschland wieder
einen Besuch abstatten werden, ist mehr als ungewiss. Glücklich die, die
an diesem Abend die Ehre hatten, eine Gruppe zu erleben, die eine musikalische
Bewegung in Gang brachte und hier ihr Können in neunzig Minuten überzeugend
unter Beweis stellte.