Wie der kundige Clubbesucher weiß, ist es um Live-Events im elektronischen
Musikgeschäft in der Regel nüchtern bestellt. Das Normal-Setting weist
zumeist ein in seinen Dimensionen überschaubares DJ-Pult auf, dazu ein, zwei
Notebooks und einen konzentriert auf der Tastatur klöppelnden Protagonisten,
dessen Interaktion mit dem Publikum in der Regel als eingeschränkt bezeichnet
werden darf. Dass das auch anders geht, davon konnte man sich beim Auftritt des
schwedischen Digital-Disco-Helden Unai am vergangenen Freitag im Berliner Watergate
überzeugen.
Unter der Überschrift Beat It! Pres. Ian Pooley trat mit Ian Pooley darselbst,
Eva Be und Henrik Bertsch eine ebenso illustre wie muntere Crew an den Turntables
zusammen, um einer WM-beschickerten Party-Meute das geneigte Tanzbein zu verdrehen.
Heimlicher Höhepunkt des Abends war jedoch die in dieses ohnehin schon aufreibende
Programm eingebettete Live-Performance der jüngsten forcetracks-Entdeckung
Unai aka Erik Möller, der ab zwei Uhr morgens seine flashige Mixtur aus Microhouse,
Disco-Inferno und 80er-Schmelz auf dem Mainfloor zelebrierte. Eva Be vom Berliner
Sonar-Kollektiv hatte auf dem Plattenteller zu diesem Zeitpunkt bereits mit ihrem
bewährt groovigen Dub-House-Verschnitt virtuose Vorarbeit geleistet, desgleichen
Watergate-Resident Henrik Bertsch mit einer ebenso minimalistischen wie breakbeat-gesättigten
House-Invasion auf dem Waterfloor.
Dann brach die digitale Disco-Hölle los, und das bis dato gemächlich
vor sich hin groovende Publikum verwandelte sich innerhalb von Minuten in eine
kollektive Tanzformation. Möller ist derzeit einer der wohl innovativsten
Vertreter des Clubbers-Delight-Genres Disco, und das wurde von den Anwesenden
vom ersten Stück an auch entsprechend gewürdigt. Ein ebenso schweißtreibender
wie eleganter Disco-Beat mit unüberhörbaren Pop-Anleihen untermalte
gekonnt die melodieverliebten Arrangements der Tracks vom aktuellen Release "A
Love Moderne", und ein ekstatisch hinterm Laptop-Deckel herumtanzender Möller
unterstrich seine musikalische Botschaft aufs Beste. Soviel Einsatz freut den
Clubgänger, und tatsächlich entstand für den Verlauf der leider
nur eine gute Stunde währenden Performance eine authentische Konzert-Atmosphäre.
Von kleinen technischen Problemen abgesehen – der digital charmant verwehte
Live-Gesang konnte sich stellenweise nur schwer gegen den schneisenbreiten Sound
durchsetzen – wurde eine ununterbrochene Folge von smashenden Dancefloor-Krachern
geboten. Der Griff in die wave- und popgesättigte Trickkiste der 80er Jahre
war dabei stets hörbar, und es ist genau diese Kunst des Andeutens, ohne
wirklich zitieren zu müssen, die Möllers kreatives Stöbern in der
Popgeschichte so beachtenswert macht. Die filigranen Clicks and Cuts, die beim
heimischen Hörgenuss des aktuellen Albums des Schweden unter der Disco-Spur
gut zu hören sind, gingen live leider ein wenig unter, aber das tat der allgemeinen
Freude keinen Abbruch. Man war hier schließlich nicht zum Clickhouse-Diskurs
zusammengetreten, sondern zum gepflegten Abtanz.
In den klinkte sich nach Möllers Performance mit Ian Pooley einer der hiesigen
Masterminds des klassischen House ein, und dieser letzte Programmwechsel des Abends
hatte es dann noch einmal in sich. Der Sound wurde von jetzt auf gleich eine Oktave
kühler, als Pooley Möllers verspielte Arrangement programatisch mit
klar und nüchtern konturierten Beats auflöste. Der abrupte Übergang
von der eher songorientierten Pop- und Disco-Spur zur klassischen House-Dramaturgie
wollte erstmal ebenso verkraftet sein wie der atmosphärische Umschwung vom
Live-Gig zum DJ-Set. Hier erlebte die Nacht auch zunächst einen kleinen architektonischen
Hänger. Aber Pooley hatte die Dancing Crowd schnell wieder im Griff und führte
stilsicher in den vom Floor aus zu bewundernden Sonnenaufgang über der Spree
hinein.
Alles in allem ein überaus gelungener Abend. Das Watergate ist einmal mehr
seinem Ruf gerecht geworden, eines der besten Bookings der Stadt in Sachen Avantgarde-House
zu betreiben. Als finaler Nachtrag hier noch ein kleines schwedisches Anekdötchen:
Entstanden sind die Tracks auf "A Love Moderne" in einem einsam gelegenen
schwedischen Anwesen, in dem es angeblich spuken soll. "So machen wir das
in Schweden", hat Eric Möller nach seinem Auftritt verraten. "Wir
ziehen uns an einen einsamen Ort zurück, an dem man entweder verrückt
oder kreativ wird." Hat gut geklappt in diesem Fall. Mit der Kreativität,
selbstredend.