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Gesehen! Van der Graaf Generator / 05.04.2007, Essen, Weststadthalle
Generation Generator
Text / Live-Fotos: Klaus Reckert
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Van der Graaf Generator waren am 17. Juni 1978 das letzte Mal live aufgetreten -
auf dem Kohfidisch Festival in Österreich, "For the final
time", wie es im lesenswerten Booklet zur Virgin-4CD-Box heißt.
Am 29.11. 2004 jedoch kündigten die alten Kämpen ihre
Wiedervereinigung an und lösten dieses Versprechen im Mai 2005
dann auch mit einem auf der vorzüglichen aktuellen Live-CD "Real
Time" dokumentierten Reunion-Auftritt in der Royal Festival Hall
in London ein. Auch 2007 gab es wieder eine kleine, feine
Europatournee - willkommener Anlass auch für POP FRONTAL, dieser
Kultformation aus den Frühtagen des Progrocks auf die (dritten)
Zähne zu fühlen.
Erster Eindruck nach
Betreten der flammenneuen Weststadthalle: Das ist mal ein wirklich
zuschauerfreundliches Architekturkonzept. Denn die große, sich
mit einer Mischung aus Moderne (Glass and Steels) und angenehmem
Retro-Look (rote Ziegel) geschmeidig in ihr Ruhrpott-Umfeld
einfügende Halle platziert die breite Bühne nicht an einer
Schmal-, sondern an einer der Breitseiten des Grundriss-Rechtecks. So
haben auch bei unbestuhlten Konzerten wie dem heutigen garantiert
alle Besucher optimale unverstellte Sicht auf das Bühnengeschehen.
Wie sich später herausstellt, ist auch die Akustik des relativ
hohen, ideal belüfteten Austragungsortes formidabel.
Zweiter Eindruck: Der
Zuschauer"mix" des Konzertabends gestattet es, sich
ausnahmsweise als eher jüngerer Vertreter der Zunft zu fühlen,
denn VdGG haben wirklich die ganz alten Zausel hinter dem Ofen
hervorgelockt. Um uns herum stehen ca. 500 mal 45+-Jahre
Progrock-Erfahrung, die geduldig auf den leicht verzögerten
Konzertbeginn warten.
Dritter Eindruck: Es hat sich gelohnt. Obschon sich das Gerücht bestätigt, dass
auf Wundersaxophonist David Jackson "Jaxon" aus uns nicht
bekannten und auch auf der Bandsite nicht genannten Gründen auf
der Tour verzichtet werden muss, obwohl es zunächst schwer
vorstellbar erschien, wie die Band den Verlust ihres - neben Organist
Hugh Banton - wichtigsten Solisten live würde kompensieren
können: Es geht. Es geht sogar ganz ausgezeichnet.
Die Band erzeugt auch als Trio einen enorm dichten, wenig vermissen lassenden
Ensembleklang. Peter Hammill dilettiert mehr als zuvor an der
E-Gitarre und dominiert die Bühne mit seinem intensiven, häufig
theatralischen und gewöhnlich klagend-fesselnden Sangesvortrag.
Hugh Banton gibt eine Lehrstunde dazu, was meisterlich gespielte
Keyboards (ein transportfreundlicher Roland statt modifizierter
Hammonds oder seinen legendären Eigenbauten) an Atmosphäre
und spieltechnischer Brillanz zu transportieren vermögen. Und
der inzwischen komplett kahle Guy Evans wird sogar mit
Sprachchören dafür gefeiert, was er an Spielfreude
demonstriert und wie er das gesamte Set durch eine Performance
zusammenhält, die sich immer noch vor nichts und niemanden im
internationalen Drum-Zirkus zu verstecken braucht.
Highlights des gut
zweistündigen Sets bilden neben den Neukompositionen "Lifetime"
(das an Hammills Soloschaffen erinnert) und dem brachialen "Specs"
ausgerechnet die "jungen" Stücke "Every Bloody
Emperor" sowie die Zugabe "Nutter Alert". Doch auch
das Stück "Man-Erg" bleibt durch einen unglaublichen
Solo-Spot von Banton unvergesslich.
Zu bewundern gab es an
diesem Abend in Summe zwei unglaubliche Techniker und einen Poeten,
der deutlich mehr durch Intensität, denn durch Musikalität
und Technik besticht. Im hinreißenden "The Sleepwalkers"
tönte Hammill tragischer als jede Kassandra "Soon My Time
Is Ending" - doch wenn die Gesundheit mitspielt, kann die
beeindruckende VdGG-Erfolgsstory so noch lange, lange weitergehen.