Viva Las Veagaz!
Text: Klaus Reckert Live-Fotos: Bettina Reckter
1. Die Hamelner werden von der Kritik mit Lob und mit olympischen Vergleichen
à la Nick Cave, Iggy Pop oder Madrugada schier überschaufelt. 2. "Luise"
von der aktuellen CD "Gold" hat sich auch im Langzeittest zu einem Lieblingslied
und unabschüttelbaren Ohrmade beim Rezensenten entwickelt. 3. POP FRONTAL
präsentiert die aktuelle Tournee. Grund genug, sich direkt an die Pop-Front
zu bewegen, wenn dieses heftig bundesweit tourende Spitzentrio denn schon in der
eigenen Stadt ist...
Die vorgruppierenden Lokalmatadoren von Illusion Island (aus Köln) schafften
es nur teilweise, das anfangs noch sehr spärlich besetzte, aber urgemütliche
Kult 41 für ihre Illusionen zu gewinnen. Am teils recht ansprechenden Songmaterial
wie "Wednesday 17th" oder "Hills & Pills" lag das sicher
weit weniger, als an der für den vergleichsweise kleinen Raum mal wieder
völlig überdimensionierten Lautstärke. Obwohl die noch sehr jung
wirkenden Kölner mit modernem und teurem "In Ear"-Soundsystem ausgerüstet
waren, drehte der herz- beziehungsweise offensichtlich gehörlose Unmensch
am Pult auf, bis es fast nur noch clippte und wummerte. Bei der letzten Nummer
"The Room We Share" war schließlich auch noch das Schlagzeug lauter
als bei Billy Cobham. Überdies trägt die Stimme des Sängers bei
Stücken wie "Taxi Ride" einfach nicht genug für die teils
ambitionierten Gesangslinien.
Dann aber Veagaz - der Unterschied hätte kaum größer ausfallen
können: drei Persönlichkeiten betraten zu einem minimalistischen Loop
aus Jörg Stillers Gitarre die Bühne und bemächtigten sich ihres
Publikums sofort mit einer fast greifbaren Präsenz, die über die gesamte
Konzertdauer niemals nachließ. Wir hatten uns vorab gefragt, wie sich die
Stücke der meisterlich und sehr dicht produzierten aktuellen CD "Gold"
überhaupt auf der Bühne reproduzieren lassen. Antwort: Es fehlte nichts.
Im Gegenteil, durch besagte Ausstrahlung der drei Vollblutmusiker, die Intensität
ihres Vortrags und vor allem den gekonnten Umgang von Gitarrist Jörg Stiller
mit Sequenzer und Echo hatte man zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, weniger
als ein zehnköpfiges Orchester zu belauschen. Dennoch matschten die Hamelner
nicht etwa alles zu, sondern ließen Pausen und damit den Stücken sowie
dem Publikum Zeit zum Atmen. Sven Hesse an seinem relativ kleinen Drum-Kit erwies
sich als meisterlicher Drummer, der dem breiten Programm von Rock'n’Roll
über Noise-Attacken bis hin zu finsteren Moritaten à la Lou Reed stets
den richtigen Drive versetzte.
Zur Setlist des Abends (siehe Abbildung - bis Riversong kamen sie, bis der lieben Nachbarn wegen
das Konzert abgebrochen werden musste): Höhepunkte waren sicher "Luise",
denn was sich Sänger/Bassist Tom Schindler hier mit Wechsel zwischen Kopf-
und abgrundtiefer Normalstimme antut, ist allein schon einen Konzertbesuch wert,
und "Suffering Ghost". Aber auch das noch unveröffentlichte Material
wie "Coalmine" oder "Fireball" baute gewaltigen Appetit auf
die nächste Scheibe auf. Der Rezensent hatte dieses Jahr schon reichlich
Livemusik um die Ohren - einschließlich Millionseller wie Dream Theater
- aber so wie Veagaz aufspielten, war das bislang der stärkste Gig.
Links:
>> Künsterinfo Veagaz bei POP FRONTAL
>> Interview mit Veagaz im Januar 2004 bei POP FRONTAL
>> Homepage Veagaz
>> BluNoise Mailorder
>> Glitterhouse Mailorder
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Veagaz
Illusion Island
Veagaz: Gold
(Schallplattenmanufaktur Hameln/FinestNoise)
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