Warren Haynes führt in der Tat ein bewegtes musikalisches Leben: Der Grammy-Gewinner (und neunfach Grammy-Nominierte) ist Gitarrist bei der Southern Rock-Legende Allman Brothers, Sänger/Gitarrist der ähnlich kultig verehrten Gov't Mule und der Grateful Dead-Nachfolgeorganisation The Dead. Der Rolling Stone zählt ihn auf Rang 23 der 100 "Greatest Guitarists Of All Time". Da er bei uns ähnlich hoch veranschlagt wird, war ein Lokaltermin unvermeidlich, als der Meister mit seiner Warren Haynes Band und dem aktuellen Soloalbum "Man In Motion" Köln beehrte.
Erfreulicherweise hatte sich der zunächst schleppende Vorverkauf doch noch belebt - die durch Abhänger geteilte Live Music Hall war ansprechend gefüllt, jedenfalls für einen schwülen Sommertag im Rheinland. Die trotz des Biergartenwetters Erschienenen wurden von einem prächtig aufgelegten Chef und seiner Tourband begrüßt, die höchst vermutlich wie folgt besetzt war: Ron Holloway (sax), Nigel Hall (key, back voc), Ron Johnson (bss), Terence Higgins (drms). Die gleichfalls anwesende Sängerin kann - soweit die alten Augen das beurteilen können - nicht die Ruthie Foster sein, die auf dem Album ebenso wie beim Tourstart in den USA Anfang des Jahres dabei war.
Mit enorm druckvollem, aber gleichzeitig differenziertem Klangbild brachten Stücke des aktuellen Albums wie "River's Gonna Rise" (mit schönen Dialogen zwischen Warrens Halbakustik-Gitarre und der Sängerin Larissa[?]), "Sick Of My Own Shadow" oder "A Friend To You" all jene auf Betriebstemperatur, denen der Schweiß nicht ohnehin schon, wie bei Mr. Kuhle Wampe himself, von der Stirn troff. Auch bei den vom Solodebüt "Tales Of Ordinary Madness" stammenden Songs "Invisible" und dem langsamen Reggae "Blue Radio" (mit einem einfühlsamen Rhodes-Solo von Nigel Hall) wurde es heiß: bei "Invisible" klangen Haynes an der Gitarre und der virtuose Saxophonist Ron Holloway zusammen fast nach fetten Bläsersätzen à la Tower Of Power. "Born Under A Bad Sign" besetzte dann erstmals das Blues-Rock-Thema, mit dem Haynes vor allem mit Gov't Mule sonst unterwegs ist.
Nach rund 75 Minuten war es Zeit für eine gerne genommene Pause an der frischen, inzwischen etwas laueren Luft. Solchermaßen gestärkt konnte man sich an akustischem Material freuen, mit dem Set II eröffnet wurde, darunter Perlen wie "The Butcher Boy", die Mule-Nummer "Gordon James", das innige "Back Where I Started" (von Warrens Spannmann bei den Allman Brs., Derek Trucks) oder "Listen To The Lion". Sogar an diesem Van Morrison-Klassiker scheitert Warren solo kein Bisschen, ebenso wenig wie - natürlich - an seinem eigenen "End Of The Line".
Bis in der Halle wirklich Ende war und das begeisterte Publikum die Band unwillig ziehen ließ, gab es Zugaben - passenderweise "On A Real Lonely Night" und selbstverständlich noch der "Man In Motion". Der steht für ein faszinierend anderes Programm dieses großen Gitarristen, Sängers und Komponisten. Der gesteigerte Stellenwert des Gesangs, die Soul- und R'n'B-Einflüsse, ja sogar der weit weniger verzerrte Sound der Gitarre - alles ist anders, als man es sonst von ihm kennt. Und dennoch ungemein hörenswert. Haynes plant übrigens, auch weiter konstant in jeder Hinsicht beweglich zu bleiben. Neben seinen zahlreichen "Grund"-Verpflichtungen würde er laut eigenen Aussagen auch gerne einmal ein überwiegend akustisches Singer-/Songwriter-Album angehen (vgl. sein "Live At Bonnaroo"), aber auch eine rein instrumentale, angejazzte Platte kann er sich vorstellen.