Jeffrey Lewis: 12 Crass Songs - Anarcho-Punk im Folk-Gewand

Jeffrey Lewis: 12 Crass Songs (Rough Trade / Beggars / Indigo)

Tief in die Politpunk-Mottenkiste scheint das Label Rough Trade in diesem Herbst zu greifen. Für November wird dort die Veröffentlichung von „Rise Above“ von Dirty Projectors angekündigt. Auf dem Album wartet David Longstreth keinesfalls mit normalen Coverversionen der LP „Damaged“ der US-Hardcore-Legende Black Flag auf. Nein, er wird die Kultscheibe einfach nur aus seiner Erinnerung nachspielen! Krass. Wir sind gespannt. Longstreth' New Yorker Label-Kollege und Anti-Folker Jeffrey Lewis hat sich wiederum gerade den britischen Anarcho-Punkern von Crass gewidmet. „12 Crass Songs“ kann durchaus als Cover-Album betrachtet werden. Klingt aber dank spärlicher Instrumentierung mit Akustik-Gitarre, Piano, Streichern, Bass und zurückhaltender Percussion einfach mal krass anders als das Original. Denn krass krachen tut hier gar nichts. Was auf den ersten Blick ganz anders wirkt, hat auf den zweiten doch mehr Gemeinsamkeiten, als man denkt. Waren Crass nicht in ihrer streng anti-kommerziellen Haltung, mit ihren Happening-Auftritten und dem gelebten Kommunendasein nicht irgendwie den Hippies näher, als so mancher Punk es eigentlich sein wollte? „The music sounds violent but the words seem to be for 60s idealism“, erklärt dann auch der Skinhead-Zimmernachbar im Cover-Artwork-Comic das Phänomen Crass dem jungen Jeffrey in seiner Studentenbude anno 1993. Es folgen Jahre, hübsch im Comic-Strip von Jeffrey Lewis himself nachgezeichnet, in denen bei dem jungen Barden langsam aber sicher die Erkenntnis wächst: Crass sind „one of the greatest bands ever“. Seiner Lieblingsband nun Tribut zu zollen, ist nur konsequent. Und auch musikalisch gesehen sehr gelungen. „System, system, system, deprived of any hope“ klingt zwar aus dem Mund von Lewis und seiner Mitstreiterin Helen Schreiner nicht wirklich krass, entbehrt aber nicht einer gewissen Eindringlichkeit. Auch wenn die krassen Anarcho-Messages im Folk-Gewand zuweilen recht komisch wirken, haben wir es hier mit einem Stück ehrlicher Heldenverehrung zu tun. Ab heute bereist Jeffrey Lewis unser Land, um seine Crass-Songs auch live vorzutragen. Das sollten Sie sich – egal ob Hippie oder Punk – nicht entgehen lassen!