Damals standen hier ganz gewiss noch keine Jugendlichen mit ihren Smartphones in den Häusereingängen. Und auch Spätis sah man kaum. Viele Fassaden haben inzwischen einen neuen Anstrich bekommen, die Mieten sich in der Zwischenzeit mehr als verdoppelt.
Und obwohl alles so unfassbar teuer geworden ist, versprühen die Menschen auf den Terrassen der Cafés den Anschein von fast mediterraner Gelassenheit.
"Und der Sommer vor der Tür scheint nie mehr fortzugehen, vor lauter Helligkeit und Schönheit ist die Angst fast nicht zu sehn, sie versteckt sich in den Schatten, und wenn es Nacht wird macht sie Licht, aber weil sie hier schon lange wohnt, erschüttert mich das nicht.", sing Dobers in "Die Helligkeit" ? das Lebensgefühl der Bewohner:inen in den privilegierten Vierteln der Metropolen unserer diffusen Gegenwart? Vielleicht.
Überhaupt handelt das neue Dobers-Album vor allem von dem, was sich hinter den prunken Fassaden abspielt, und davon, was sich die Menschen in ihrem Alltag bei ihren Begegnungen so erzählen, um nicht darüber sprechen zu müssen, was ihnen gerade wirklich Angst macht. Aber anders als wütende Agit-Prop-Songwriter wie etwa Billy Bragg, bleibt Jakob Dobers immer ein freundlicher, vorsichtiger Beobachter und versucht vor allem, seiner allgemeine Verwunderung einen Ausdruck zu verleihen. Ein surrealer Wimmelbild-Pop, der seine Protagonist:innen einfach nicht verraten will. Wenn man möchte, kann man hier durchaus eine Seelenverwandtschaft mit dem Leipziger Musiker Florian Sievers festzustellen, der sich als Das Paradies seit vielen Jahren in und aus ganz ähnlichen Nischen heraus bewegt, und dieses Album zusammen mit Jakob Dobers aufgenommen, eingespielt und produziert hat. Robert Kretzschmar am Schlagzeug und Josepha Conrad am Bass bilden auf dem Album im spielerischen Dialog eine äußerst entspannte Rhythmus-Fraktion. Der "Signale"-Sound ist dabei sehr leichtfüßig, minimalistisch und offen: Indie-Folk-Pop! Mit kleinen psychedelischen Signalen aus der Echokammer. Dobers und Sievers lassen in den Liedern aber auch ihren Soundspielerrein sehr viel Raum. Was sehr angenehm ist in einer Welt, die täglich mit so unfassbar vielen Informationen geflutet wird, in der nahezu jeder Mensch mit seinem lauten Gebell an der Oberfläche für Aufmerksamkeit sorgen muss.
"Und in den Gesprächen, häuften sich Fragen, und da war auch die Sehnsucht, wir gehen einfach zurück, und einige dachten, man darf gar nichts mehr sagen, und sagten es trotzdem, doch es brachte kein Glück!", singt Jakob Dobers an anderer Stelle in Richtung derer, die es sich seit ein paar Jahren vor allem zum Thema gemacht haben, auf den Umstand hinzuweisen, dass man ihrer Meinung nach einfach nicht mehr das sagen dürfe, was man denkt.
Erstaunlich, dass diesen Menschen der performative Widerspruch im Aussprechen des vermeintlich Nicht-Sagbaren einfach nicht auffallen will. Aber es ist toll, dass auch diese Leute in Dobers Welt nicht einfach vorgeführt werden. Er wundert sich lieber weiter über die vollständig an- wie abwesende, widersprüchliche, urbane Dorfgemeinschaft. Am meisten aber wundert er sich dabei über sich selbst.
Auf dem Cover von Sandro Rybak gestalteten Cover sehen wir einen surrealen Marmorstein, in den ein Schmetterling eingestanzt ist. Bunte Farbklekse bewegen sich von dort aus in Richtung des Betrachters. Im Hintergrund ist eine Seenlandschaft zu betrachten. Ja, ist das vielleicht die Uckermark, Sehnsuchtsort und liebstes Naherholungsgebiet der Prenzlberger?! Wer weiß. Als Projektionsfläche kann es vieles sein.
Toll wäre es jedenfalls, wenn in vielen Jahren ein junger Mensch das Album mit dem hübschen Cover in einer Geschenkekiste fände, es mit nach Hause nähme und so liebhaben würde wie wir heute. "Die Zukunft gibt es nimmer, dafür Gegenwart für immer" würde er Jakob Dobers darauf singen hören. Signale der Hoffnung. Aus einer anderen Dimension. (Text: Presseinfo)

