Interview: Klaus Reckert, 26.01.2004
Eine der erfolgreichsten Tourneen im Rockberitt des Jahres 2000 war die legendär
zu nennende "Double Headliner"-Tour der sympathischen Ruhrpöttler
Axxis und ihrer deutsch-britischen Kollegen von Pink Cream 69. Nun bahnt sich
eine Neuauflage an. Darüber und zum ab dem 26.01. beim CD-Hökerer
Eures Vertrauens erhältlichen aktuellen Album "Time Machine"
sprachen wir mit Axxis-Bandmitbegründer, Keyboarder und Frohnatur Harry
Oellers.
Harry, man liest von Euch immer als den Jungs aus Dortmund – stimmt das
so noch oder lebt Ihr längst in irgendwelchen Steuerparadiesen?
(kichert) Weder Monaco noch Dortmund. Aus denselben Gründen wie bei allen
anderen Leuten – Jobs, Partner, Kinder – hat es mich nach Neuss
verschlagen, Sänger Berny (Bernhard Weiss) lebt in Unna, Guido (Wehmeyer,
Gitarre) und Kuno (Niemeyer, Bass) in Bielefeld.
Aber Ihr solltet doch eigentlich inzwischen allein vom Musikmachen leben können?
Bernie und ich ja, allerdings gemeinsam mit verwandten Aktivitäten wie
unserem Studio und der Produktion von anderen Musikern. Wir zwei machen ja alles
um Axxis herum, einschließlich des Umstandes, dass sich Bernie als Autodidakt
zum IT-Spezialisten und Webmaster unserer Homepage ausgebildet hat.
Diese Aktivitäten erklären vermutlich auch, dass man bei Euch eigentlich
von gar keinen Nebenprojekten weiß, während beispielsweise David
(Readman, Sänger von Pink Cream 69) mit u.a. Adagio oder Missa Mercuria
ähnlich viele Seitenprojekte wie viele skandinavische Musiker am Start
hat?
Genau! Obwohl insbesondere Bernie durchaus öfter für solche Projekte
angefragt wird, aber dann muss es eben sowohl zeitlich wie künstlerisch
"passen". Beispiel: In Bochum wurde ein großes Projekt mit Doro,
U.D.O. und Axel Rudi Pell plus Symphonieorchester aufgelegt und auch Bernie
gefragt. Er kam zur ersten Probe und hat dann dankend abgesagt, weil das Orchester
so abgrundtief entsetzlich war. Ende der Geschichte war, dass später ein
anderes, besseres Orchester gefunden wurde, aber das hatte man ihm wohl nicht
mehr gesagt.
Ein anderes "Nebenprojekt", was wir echt gern gemacht haben, war am
28.12.03 die „10 Jahre Rockfabrik“-Feier in Ludwigsburg. Das war
der Hit: mit Doro, Helloween, Pink Cream, Gamma Ray etc. auf einer Bühne,
und dann die Mega-Jam Sessions! Bei dem Anlass sind übrigens meines Wissens
erstmalig der ehemalige Pink-Cream-Sänger Andi Deris und David aufeinandergestoßen,
und die beiden haben sich mal in Ruhe unterhalten...
Eure Homepage vermeldet zum Thema Drummer Erschreckendes: das jahrzehntelange
Axxis-Mitglied Ritchie ist buchstäblich verschollen?
Traurigerweise ja. Obwohl uns seine Drogenprobleme über die Jahre oft auch
belastet haben, macht man sich jetzt doch einfach Sorgen. Wir hatten ja von
den Anfangstagen an alles miteinander durchgemacht...
Das heißt – wenn er wieder auftauchen würde, würdet Ihr
ihn mit offenen Armen wiederaufnehmen?
Natürlich!
Auf "Time Machine" ist Kosta (Zafiriou von Pink Cream) an den Drums
eingesprungen. Wird er das live auch machen, also auf der Tournee während
des Bühnenumbaus einfach auf seinem Höckerchen sitzen bleiben?
Nein (lacht), live wird den Part André Hilger übernehmen, der Drummer
von Silent Force. André kommt aus Recklinghausen, das macht das Proben
leichter, und ist ein ausgezeichneter Schlagzeuger.
Die Promobetextung betont, dass Ihr Euch angeblich nie wiederholt. Inwiefern
ist "Time Machine" denn anders als alles, was Ihr bislang gemacht
habt?
Im Gegensatz etwa zum total gefloppten "Voodoo Vibes" scheint mir
das Album eine ausgewogene Mischung zwischen hartem und softem Material zu bieten,
was naturgemäß das Axxis-Fan-Lager immer sehr spaltet. Gewisse Gothic-Einflüsse
wie in den Chören zu "Angel Of Death" sind jedenfalls sicher
ganz neu für Axxis, auch der starke Einsatz der Double Bassdrum...
Gutes Stichwort Chöre – "Mystery Of Time" hebt ja wirklich
sehr geheimnisvoll und mit kirchlich anmutenden Chören an. Singt da wirklich
jemand "Kyrie Eleison"?
Klar doch, das sind Bernie und ich. Das Phänomen der Zeitrechnung hat doch
z.B. durchaus viel mit den Kirchen zu tun, von daher auch dieser Teil der kirchlichen
Messe. "Mystery" gemeinsam mit dem folgenden "Angel Of Death"
ist der klassische Opener und wird vermutlich auch auf der Tour unsere Konzerte
eröffnen.
Dieses "Angel Of Death" mit dem weiblichen Gesangsintro und den vielen
Streichern ist Euer bislang symphonischstes Stück. Hättet Ihr Lust,
auch mal so ein Orchesterprojekt zu machen wie etwa Deep Purple, Metallica,
Rage, Waltari etc.?
Aber ja! Denn wir glauben, dass etliche Momente in unserer Musik geradezu danach
schreien. Allerdings sind richtige Orchester ziemlich teuer, und auf den zu
erwartenden Nachahmungsvorwurf haben wir auch keine große Lust. Mal schau'n...
Was war der Anstoß für das Titelstück, bei dem neben der schlagenden
Uhr als Intro das perlende Pianothema auffällt?
Ich bin ein glühender Fan von Perry Rhodan (es folgt ein Exkurs, in dem
der Musiker schnell mal die Problematik von wirklichkeitsverändernden Zeitreisen
über 150.000 Jahre im aktuellsten Rhodan-Zyklus erläutert), und insofern
hat so eine Zeitmaschine etwas sehr Faszinierendes für mich. Allerdings
bewegen sich die Texte bei Axxis doch mehr in der realen Welt als im Fantasy-Bereich.
Das auf einem richtigen Konzertflügel gespielte Thema klingt zwar einfach,
ist aber sauschwer zu spielen (lacht). On stage wird es wohl leider kein Flügel
sein können.
"Wind In The Night (Shalom) kommt mir so ein wenig vor, wie das jammervolle
"Wind Of Change" der Scorpions in gut. Worum geht es Euch dabei?
Das Stück greift die Tragödie zwischen Israelis und Palästinensern
auf und fragt, ob nach all diesen Opfern und Verletzungen das Wort "Shalom"
(Frieden) da überhaupt noch anwendbar ist.
Und – ist es?
Wir glauben schon. Vielleicht bekommen wir ja mal Palästinenser und Israelis
dazu, es gemeinsam zu singen...
Wie kam es konkret zum Plan einer Wiederholung der europaweiten Double-Headliner-Tour?
Wie oft bei Axxis haben da eigentlich die Fans den Anstoß gegeben. Wir
waren uns ehrlich gesagt nicht ganz sicher, ob so ein Erfolg wiederholbar ist,
aber wenn Du an einem Tag 30mal gefragt wirst, wann man dieses Package mal wieder
zu sehen bekommt, wirst Du nachdenklich...
Erleichternd wirkt sich aus, dass wir die Jungs von PC 69 gut kennen und sehr
mögen. Überdies haben wir mit Bottom Row dasselbe Management.
Was war für Euch das ganz Besondere an den 2000er Konzerten?
Zum einen war es ein Comeback für uns, nachdem zwei Leute aus der Band
ausgeschieden sind. Es hätte doch auch sein können, dass uns keiner
mehr sehen will, stattdessen waren die Fans ganz unglaublich und ein guter Teil
der Konzerte ausverkauft. Zum anderen war das auch einfach eine angenehme Tour,
weil die Chemie zwischen den Bands so gut ist. Das ist ja nicht immer so.
Kannst Du mal ein Beispiel geben?
Nun ja, 2002 waren wir mit Kamelot unterwegs, was ohne Frage absolut großartige
Musiker sind, aber halt völlig anders drauf als wir. Während wir vereinfacht
ausgedrückt durch den Tourbus toben und losjohlen, wenn Van Halen im Radio
läuft, haben die Jungs doch eine sehr viel ruhigere Mentalität.
Auf der 2002er Tour konnten die Fans die Setlist per Internet selbst bestimmen.
Was können wir in diesem Jahr erwarten?
Vielleicht machen wir das sogar wieder – trotz des aktuellen Materials
finde ich es toll, wenn die Fans abstimmen können. Was die Bühnenshow
angeht (2002 durften Fans unter Heliumeinfluss auf der Bühne Axxis-Songs
singen, Anm. d. Red.): man muss davon ausgehen, dass sich Bernie wieder irgendwelche
"Peinlichkeiten" ausdenken wird (lacht). Die CD wird eine Playback-Version
von "Wind In The Night" als mp3 enthalten. Und die beste uns zugesandte,
besungene Fan-Version wird natürlich prämiert! Vielleicht ergibt sich
daraus noch eine Belebung des Bühnengeschehens...
Was den Bühnenaufbau angeht, überlegen wir noch.
Ihr könntet ja etwas von dieser Endzeit-Fabrik verwenden, die Eure Promofotos
zum aktuellen Album zieren..?
Das Ding gibt es wirklich, das ist Thyssen-Krupp! Da liegt die Taubenscheisse
10 cm dick, und das meiste, was man sieht, ist aus Asbest. Ja, vielleicht...
Die Tour läuft wieder unter "Double Headliner". Wie macht Ihr
das konkret, wird gelost, wer als erster und zweiter spielt?
Nach dem Alphabet natürlich (lacht schallend).
Nein, im Ernst, wir haben alles probiert und waren mit nichts so richtig zufrieden.
Zum Beispiel Losen (außer Karlsruhe, wo immer PC, und Dortmund, wo wir
als letzter spielen). Aber wirklich glücklich ist das nicht. Darum haben
wir beschlossen, dass immer der lokale Veranstalter das entscheidet. Der hat
noch am ehesten im Gespür, für welchen Act an dem Abend die meisten
Leute gekommen sind.
Es wird neben den beiden Top Acts noch eine Vorgruppe geben. Wer hat die Schweizer
Crystal Ball ausgesucht? Wie findet ihr die?
Unser Soundmann hat sie uns vorgeschlagen, nachdem er mit denen auf Tour war.
Wir finden die Band klasse – sehr gute Livemusiker. Ich hab sie auf dem
Summer Breeze gesehen – eine Band mit Herzblut.
Genau wie "Time Machine" kommt "Thunderdome" von Pinkies
26.01. raus. Wie gefällt Dir die Platte?
Ganz ehrlich – wirklich gut. Eine ihrer Besten. Das Zusammenspiel zwischen
David und der Band ist noch mal besser geworden.
Ich sah zufällig, dass ihr nach der Tour gleich als Headliner weitermacht,
z.B. in Plettenberg im Sauerland?
Genau, dahinter steckt Jürgen Antoni, der Veranstalter vom Balver Höhlenrock.
Dem hat unser Konzert mit Doro in der Höhle so gut gefallen, dass er jetzt
sogar einen Gig in Russland mit uns planen will!
Danke für das Gespräch, see you on tour!
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