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Getroffen! Interview mit Simon Moskon / Cryptex (September 2011)
Präsentiert von POP FRONTAL
"Contest-Rodeo hat nichts mit Objektivität zu tun"
Interview: Klaus Reckert Bilder: Pressefreigabe
Um eine Kurzvorstellung seiner Band in maximal vier Sätzen gebeten, fackelt Simon Moskon nicht lange: "Cryptex sind drei unkonventionelle Tausendsassa. Drei spleenige, komplizierte, verrückte, exzentrische, multiinstrumental-affine Rock-Idealisten, welche es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, handgemachte, erdige, ehrliche und innovative Mucke unter's Volk zu bringen." Das waren nicht ganz vier Sätze - dennoch trifft dieser kleine Erklärungsversuch den Nagel so ziemlich auf den Kopf. Anlass zur Fragestunde bot das vorzügliche Long-Play-Debüt der Formation "Good Morning, How Did You Live?" sowie die - von POP FRONTAL präsentierte - Tournee.
Euer Morgengruß fährt lobende bis begeisterte Kritiken bei nahezu allen Medien ein - egal ob die Titel primär auf Rock, Prog oder Metal fixiert sind. Inwieweit wirkt sich das in den Verkäufen aus?
Simon Moskon: Ja, das ist echt absolute Klasse. Wir sind unglaublich glücklich, dass unser Erstlingswerk europaweit so positiv von den alt eingesessenen Rezensenten aufgenommen worden ist. Zurzeit laufen die Dinge für uns als "Newcomer" fast schon überdurchschnittlich gut. Die Erstauflage des Albums war nach nicht mal drei Wochen komplett vergriffen... Die Zweitauflage läuft auch gut, und man schielt bereits in Richtung Drittauflage. Hell Yeah!
Der schiere Abwechslungsreichtum ist sicher eine der großen Stärken Eures Erstlings. Da drängt sich die Frage nach Vorbildern auf!
Simon Moskon: Danke für's Kompliment. Es gibt natürlich die ganze Riege der großen Koryphäen der Musikgeschichte, welche auch uns in vielen Bereichen inspirieren und beeinflussen. Es gibt aber auch Künstler, die noch nicht unbedingt in der Rock'n'Roll Hall Of Fame mit ihrem Namen oder Konterfei die Wände zieren, die uns echt beeindrucken. Da wären zum Beispiel Menschen wie Nick Cave und David Eugene Edwards [Frontmann von 16 Horsepower und Woven Hand, d. Red.].
Das Album strotzt vor fetten Arrangements. Obwohl Euch eigentlich ein Full Time-Bassist "fehlt", glaubt man teilweise, mindestens ein Quintett zu hören. Inwieweit lassen sich die Album-Versionen live reproduzieren?
Simon Moskon: Wenn man die Scheibe hört, kann man m.E. sogar teilweise annehmen, man höre ein Oktett oder mehr... Das ist aber nicht schlimm - wir sind der Meinung, dass unsere Studioplatten immer ein wenig anders klingen sollten als die Liveband Cryptex. Es gibt einige wesentliche Elemente, die wir mit dem Einsatz von Samples umsetzen, ohne dabei aber in Effekthascherei zu verfallen. Wenn bei einem Auftritt dann das eine oder andere kleine Gimmick fehlt, wird dies dann halt durch unsere energetische, visuell aufregende und interaktive Bühnenshow kompensiert - wenn nicht sogar durch etwas Umarrangieren.
Warum geht bei Euch live immer so viel Schlagwerk kaputt?
Simon Moskon: Weil wir uns live gegenseitig (vor allem bei den Songs "Grief And Despair" und/oder "Leviathan") so dolle aufschaukeln, dass es hin und wieder zu teils unkontrollierbaren Energieausbrüchen kommt. Da kann also ruhig mal das eine oder andere Tambourin zu Bruch gehen oder unser Drummer vom Hocker kippen. Das Publikum geht da jedenfalls immer schön scharf, und das ist die Hauptsache!
Eure Karriere gewann spätestens mit dem 1. Platz beim Schooljam Regionalfinale Hannover nochmal an Fahrt. Bei Emergenza seid Ihr im Halbfinale immerhin Dritter geworden - wie habt Ihr das angestellt?
Simon Moskon: Tja, dafür gibt es, glaube ich, nicht wirklich ein Universalrezept. Wenn man als Band keine Furcht vor der Rampe hat und in der Lage ist, eine selbstbewusste, ekstatische Show zu spielen, hat man generell gute Chancen, in diesen Formaten zu bestehen oder gar zu gewinnen. Ein wirklich krasses Alleinstellungsmerkmal der eigenen Combo kann da auch äußerst dienlich sein. Dennoch darf man nicht vergessen, dass dieses ganze Contest-Rodeo oft nichts mit Objektivität zu tun hat und vieles auch recht unfair laufen kann. Als Sprungbrett, um mit der eigenen Band durch's Land zu ziehen, taugen die Nachwuchscontests aber allemal.
Welche Nachwuchs-Wettbewerbe sind Eurer Erfahrung nach besonders wichtig? Gab es auch negative Erfahrungen (Abzocke)?
Simon Moskon: Hmmm. Eine knifflige Frage, auf die ich spontan kaum eine erschöpfende Antwort habe. Schooljam ist sicherlich eine gute Chance, längerfristig etwas davon zu haben. Uns hat der Contest bzgl. der bereits über 24 Monate anhaltenden redaktionellen Berichterstattung im Gitarre & Bass-Magazin rückblickend schon eine Menge gebracht. Der Rest hängt, glaube ich, vom persönlichen Erfahrungswert ab. Ein Contest, den ich nicht empfehlen kann, ist der Global Battle Of Bands. Das hat wirklich nicht mehr viel mit Nachwuchs/Bandförderung zu tun. Pay-to-Play-Abzocke ist hier im Endeffekt Programm.
Ihr habt es mit Eurem Full Length-Debüt bis auf das Cover von "Gitarre & Bass" geschafft - als Titelzeile, (noch) nicht als Covergirls. Hilft das beim Buchen? Wie kommt ihr an Eure Auftritte?
Simon Moskon: Wir haben in den letzten Monaten wirklich eine Menge an coolen Referenzen dazugewinnen können, mit denen wir unser Angebot natürlich entsprechend aufmöbeln konnten. Diese starke Medienpräsenz (bei der allerdings TV und der Durchbruch auf den fetteren Radiosendern noch fehlt) hat uns auch in den Punkten Fanbase und generelle Popularität einen schönen Sprung machen lassen. Diese ganzen Kriterien begünstigen die Arbeit beim Buchen von Konzerten, sind jedoch nicht immer zu 100 Prozent ausschlaggebend. Letztlich kommt es immer noch auf die Musik an, die sich die Booker der Clubs auf der Homepage oder der Myspace-Seite anhören. Demnach ist es um uns mit dem aktuellen Album ziemlich gut bestellt. Man stößt als Band aber auch sehr schnell an gewisse Grenzen. Eine kompetente Agentur in Sachen Booking würde uns da schon sehr helfen. Beklagen können wir uns auf der anderen Seite aber auch nicht.
Mit SAOL steht bei Euch ein spezielles "Label" auf der CD. Erkläre uns doch bitte, warum ihr Euch dafür entschieden habt.
Simon Moskon: Durch die Veröffentlichung über den Labeldienstleister SAOL (Service for Artist Owned Labels) und die dazugehörigen Vertriebspartner für den physischen und digitalen Vertrieb entstand die vielversprechende Zusammenarbeit mit dem großen Musikverlag der Warner Music Group (Warner Chappell / Hanseatic) und mit den Musik-Promo-Spezialisten CMM-Marketing, die sich rührig um die Vermarktung und europaweite Promotion (Radio/Print/Online) kümmern. Das Konzept von SAOL ist praktisch ein junges, gleichwertiges Pendant zu den etablierten, allseits bekannten Unternehmen im Musikbusiness. Der Künstler veröffentlicht sein Album auf internationalem Standard, ohne dabei exklusive oder sonstige Rechte abgeben zu müssen, und steuert die Entwicklung der Band weiterhin vollends selbst und behält die komplette "Befehlsgewalt" über das Projekt. Man bleibt also völlig autark, ohne dabei irgendwelche Einbußen bzgl. einer professionellen europaweiten Veröffentlichung zu machen - perfekt für alle Bands, die unabhängig bleiben wollen. Dieses Modell findet im Allgemeinen eine Menge Zuspruch, und immer mehr springen auf diesen Zug auf. Es ist ja schon lange kein Geheimnis mehr, dass eine Plattenfirma im klassischen Sinne im 21. Jahrhundert kaum noch einen nennenswerten Stellenwert hat.
Euer Bandname geht auf Dan Brown zurück und im recht ausgeflippten Artwork von "Good Morning..." figuriert ihr u.a. in historischen Kostümen - was bedeutet Euch Literatur, was Geschichte?
Simon Moskon: Eine Menge. Ich denke, dass der persönliche Charakter und die Weltanschauung sehr damit zusammenhängt, was und wie man aus der Zeitgeschichte hinsichtlich Kunst, Politik etc. schöpft. Mir ist bewusst, dass ich manchmal recht nostalgische bis regressive Verhaltensmuster an den Tag lege... Ich bin zum Beispiel fest davon überzeugt, dass es Reinkarnationen gibt.
Wie sehen die Pläne für die Zukunft aus - falls ihr welche macht?
Simon Moskon: Irgendwann auf den Bühnen der Welt herumturnen, um auch dort weiterhin kräftig unser Schlagwerk kaputt zu hauen. Und natürlich ordentlich Platten verkaufen, um die Kosten für unseren zweiten Streich stemmen zu können.
Vielen Dank für das Interview!
Simon Moskon: Die besten Grüße an alle Leser und Fans und vielen Dank für den coolen Support auf POP FRONTAL!