Großmeisterlicher Abend: Die Borussen spielen um die Meisterschaft und die Prog-Nachwuchsmaestros DeWolff im Dortmunder Musiktheater Piano. Das - soviel vorab - eine der schönsten bislang besichtigten Räumlichkeiten für Live-Musik überhaupt darstellt. Bevor das aber festgestellt werden konnte, galt es noch einige kleinere Hürden zu nehmen... Die Location war uns neu. Die - durch die Fußball-Wallfahrten arg stauige - Anfahrt auch. Groß war das Erstaunen, als zu einem Zeitpunkt, da das Navi schon Zielnähe verhieß, auf einmal das Ortschild von BOCHUM auftauchte! Doch hatte das seine Richtigkeit, es wurde nur wenige Meter später von einem beruhigenden Dortmund-Schild abgelöst, dem abermals wenig später der einladende Anblick des Pianos folgte.
Den Besitzern, die es übrigens auch bewohnen, gehört das ganze Gelände, das, von einem Zaun umschlossen, auch einen Biergarten beherbergt. Und einen Schankraum. Aus dem jetzt schrille Schreie drangen. Einen ungünstigeren Zeitpunkt, nach dem Wo und Wie eines Konzertes zu fragen, hätte man schwerlich ersinnen können. Es war schließlich gerade ein Tor gefallen. Immerhin für die Richtigen. "Einmal um den Block laufen, bis zum Biergarten-Eingang. Da ist dann Einlass", wurde uns zwischen zwei Lustschreien schließlich doch noch beschieden. Die in Rede stehende Holztür war schnell gefunden, allein, sie ward nicht aufgetan. Nachdem inzwischen weniger schwarzgelbe Devotionalien, sondern mehr Konzertkarten mit sich herumtragende Menschen suchenden Gesichts die Straße bevölkerten, nahmen wir also all unseren Mut zusammen und sandten eine Expedition in das Land von Fußball und Großbildschirm. Und siehe da, es tat sich tatsächlich eine Passage zum Konzertsaal auf. Wo wir trotz anderslautender Versprechungen nicht auf der Gästeliste standen, but that's another story...
Laut Venue-Homepage hätte zu diesem Zeitpunkt (19:00 Uhr) das Konzert längst in Gang sein sollen. Da sich aber noch anderthalb Stunden lang nichts tat, ergab sich die willkommene Gelegenheit, die wirklich hinreißende Architektur des Gebäudes zu bewundern. Der tatsächlich wie ein altes Theater wirkende Raum hat eine Empore, gewölbte Übergänge zur Decke mit teils vergoldetem Stuck, Art-Deco-Türen, die einfach zum Stehlen schön sind, sowie einen abteilbaren eigenen Schankraum. Hinter dessen Theke steht eine steinalte Anrichte. Und Mitglieder der Besitzerfamilie, die freundlich mit Kaltgetränken und Auskünften dienen.
Doch schließlich findet sich die Band des Abends auf der Bühne ein. DeWolff treten in Anzügen auf, sogar Pablos Guitar Tech trägt Schlips und Kragen. Doch weit davon entfernt, eine steife Performance abzugeben, entpuppen sich die Prog-Youngsters mit dem "alten" Sound schnell als schwer arbeitende, begeisternde Live-Band. Sie eröffneten mit der brandneuen Single "Voodoo Mademoiselle", gefolgt vom bluesigen "Live In C Minor" und dem Boogie "Pick Your Bones". Spätestens beim teils psychedelischen, teils hart rockenden "Diamonds" übertönten die Jubelschreie des Publikums jene der Fußballfans aus den Nebenräumen.
Besonders faszinierend zu erleben, wie das Trio es schafft, den enorm dichten Sound und die komplexen Arrangements des Albums "Orchards/Lupine" live umzusetzen. Dazu wird beispielsweise eine Basslinie von Pablo erst auf den tiefen Lagen der Gitarre gespielt, bis Organist Robin von den Keyboards aufgestanden ist, sich einen Bass umgehängt hat und einsteigen kann. Apropos Keyboards: Hier sind auch live gut hör- und sichtbar keine Samples, sondern eine echte Hammond und Leslie-Kabinett am Start. OK, das Mellotron war gesampled. Aber gut gesampled. An Pablos Setup fallen die vielen wunderschönen Retro-Gitarren (Explorer, Telecaster, Les Paul, Danelectro 59) ebenso auf, wie das gruselig fette, schockfarbene Spiralkabel. Auf seinem Vorverstärker lösen sich während des Gigs ein paar Räucherstäbchen in Wohlgefallen auf - auch das verrät Einiges über die Gemütslage dieser knapp der Schulpflicht entwachsenen Vollblutmusiker.
Drummer Luka bewegt sich teils so schnell, dass man ihn nicht mehr scharf sehen kann - wie im Zeichentrickfilm oder bei Animal von der Muppets Show Band. In Pablos Solospots erinnert sein stets enorm rhythmisches Spiel teils an eine Mixtur aus Malcolm und Angus Young, teils an Leslie West, denn wie der kann er fasziniert einem Sound hinterher staunen, den er grad selbst hervorgebracht hat. Filigran ist anders, aber dieser Knabe ist heute schon ein Show-Tier ohne Ende - wie mag der erst in zehn Jahren performen? Robins Orgelsolo zu "The Pistol" hinterließ beim Rezensenten mehr Eindruck als entsprechende Einlagen von Don Airey (u.a. Deep Purple). In Summe: Meisterliches Konzert einer alles versprechenden Band.