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Gesehen! Element of Crime, GUZ / 02.07.2005, Bremen, Trabrennbahn
Romantik für alle
Text / Live-Fotos: Martina Nossek
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Neue Vahr Süd. Heimspiel für Pop-Poet Sven Regener im Neubauviertel-Osten
von Bremen. Passender kann der Abschluss einer Tour von Element Of Crime nicht
sein. Selbst mit den Stadtmusikanten aufgewachsen, spielte auch die Jugend seines
Debüt-Buchhelden "Herr Lehmann" schon hier. Element of Crime stehen
für zeitlose Melancholie, die altersunabhängig Gefühlssaiten schwingen
lässt. Regener ist mit den Reimen im Reinen und kennt das harte Brot der
Wirklichkeit. Das mit der bittersüßen Note.
Vier Jahre nach dem Erscheinen von "Romantik" liegen neben "Weißes
Paper" und "Die schönen Rosen" auch neue Songs vom bevorstehenden
Album "Mittelpunkt der Welt" in der sommerlich warmen Luft. Zerzauste
Melodien, menschliche Gefühle, ungeschönt und augenzwinkernd. Gut und
leider nach wie vor so selten. Doch bevor melancholische Lebensfreude den lauen
Abend ausfüllt, kündigt sich ein "Spezieller Gast" an, wie
es am Kassenhäuschen geschrieben steht. Unfreiwillig komisch auf den Punkt
gebracht, denn GUZ ist in der Tat ein sehr spezieller Gast. Ein viel zu spezieller.
Da kann auch Cowboyfreund Phillip weder am Bass noch am Schlagzeug etwas retten.
"Working In A Juice Shop" z.B. ist nur ein Saftladen mit Ohrwurmqualität.
Ein Semiwitziger aus der Schweiz, der Möchtegern-noch-eins-dran-setzt und
von fiesen Abgründen singt, an die man sich nicht hinwagen sollte. Er trällert
"Steinzeitmädchen", und "Weltraumrubbish", "Primitiv"
und "Ich bin Elektrizität". Klingt, als seien das lisplische Volkslieder,
doch die müssten erst einmal erfunden werden. Es ist nicht verwunderlich,
dass er davon singt, dass seine ganze Verwandtschaft aufgefressen wurde. Zu Recht
ist zu vermuten. Und was der GUZ-Sänger mit "Wir spielen jetzt mal was
Schönes" meinte, blieb leider im Verborgenen.
Der schöne Teil des Abends begann – musikalisch gesehen – zumindest
erst um 21:20 Uhr. Bei anderen Bands wäre so ein qualitativer Kontrast eine
denkbare Aufwertungstaktik für den Headliner. Bei einer deutschsprachigen
Combo wie Element of Crime, die mit ihrem Vorreiterstatus auf Lebenszeit im deutschsprachigen
Liedgut auch hier ihren ersten Wohnsitz hat, ist diese Mutmaßung schon von
Beginn an hinfällig. Kommerzschrottleidende jeden Alters fläzen sich
an diesem lauen Abend zum Bratwürstchenschmaus mit gepflegten Kaltgetränken
auf ihren Picknickdecken. Eine ideale Einstimmung auf zeitlos gute Klangmalerei,
düster und mollige Trompetentöne und Sprechgesang mit Prädikat.
Sowohl für Grauhaarige, finanziell Sanierte und junge, ideelle Ton-Steine-Scherben-Nachkommen.
Alle sind sie da.
Und als Sven Regener, der romantische Chansonnier mit der schrägen Weltbetrachtung,
endlich die Bühne betritt, die Arme in den Himmel reißt und lauthals
"Romantik!" ruft, wird sein Polo-Shirt dabei bauchfrei und diese Geste
zum abendfüllenden Showelement. Auf und vor der Bühne. Sven, Richard,
Jacob und David sind weise Könige der sanft zelebrierten Depression. Melodiöse
Götterfunken in einer selbst erfundenen Nische, in der "Delmenhorst"
zur Kulturhauptstadt 2010 mutiert und ungeschriebene Gesetze gebrochen werden,
die besagen, dass Rock'n'Roll-Konzerte nie auf Rennbahnen stattfinden. Textsichere
Begleitung kommt aus dem Publikum, insbesondere bei "Narzissen und Kakteen",
"Immer unter Strom", "Seit der Himmel" oder "Bring den
Vorschlaghammer mit". Doch viel zu schnell verschwindet Sven Regener mit
seiner Band das erste Mal von der Bühne. Doch zum Glück sind alle guten
Dinge drei, und sie kehren wieder mit ihren wunderbar lyrischen Texten in EoC-Manier,
begleitet von markanter Trompete und Gitarre. Und selbstredend mit der vertonten
Körpermimik des Abends, ach was, des Jahres: "Romantik!" Also Leute,
Arme hoch, Bauch raus, oder wie Sven Regener zu formulieren weiß: "Element
Of Crime. Mehr kann man nicht sagen." Doch Sven, kann man: Beim nächsten
Mal ist "Du musst springen" Pflicht!