"Are We One Tonight?" fragte Fates Warnings Sangesgott Ray Alder im Verlauf dieses
sehr speziellen Konzertabends in die Runde. Das ihm und seiner Band huldigende Publikum konnte
das einfach nur bejahen - jede(r) auf seine Weise. Vor dieser schönen Szene aber gab es
noch den Auftritt einer Vorgruppe, die zur Abwechslung mal nicht nur als ein vor dem Top-Act
zu überwindendes Hindernis erlebt wurde.
Pagan’s Mind machten mit einer cleveren Auswahl aus ihrem Backkatalog und dem aktuellen Prachtalbum "God’s Equation" das Beste aus den ihnen zur Verfügung stehenden sechzig Minuten. Vor leider noch deutlich lichten Reihen. Doch mit brillantem, vielleicht manchmal etwas zu höhenlastigem Sound und sparsamen, aber wirkungsvollen Lichteffekten sorgte beispielsweise der rasante ProgPower-Metal von "Atomic Firelight" von Anfang an für hervorragende Stimmung. Das David Bowie-Cover "Hello Spaceboy" wurde nicht zuletzt durch Jørn Viggo Lofstads Gitarrensolo zu einem Rock’n’Roll-Song. "Search For Life" entwickelte sich zu einem sehr technischen, hierin an Enchants "Progtology" erinnernden Show-Piece mit rasanten Tappings und Unisono-Läufen. Dabei bieten die Norweger auch optisch eine starke Show. Steinar Krokmo ist zum Beispiel ein beharrlich lieb grinsendes Riesenbaby, aber auch ein Virtuose am Six-String-Bass. Eine Gitarrenstimmpause überbrückte Keyboarder Ronny Tegner kurzerhand und mit langen Fingern mit etwas "Elevator Music" - kurz, es herrscht tolle Stimmung auf und vor der Bühne. Beim raubauzigen "Alien Kamikaze" setzte Headbanging wie vor Wackens Black Stage ein. Und beim abschließenden "Through Osiris’ Eyes" tobte schlicht die Halle.
Beziehungsweise deren immer noch bedauerlich schwache Notbesetzung, die sich nun durch die Umbaupause trank und fachsimpelte. Die letzte Deutschlandtour der Progmetal-Ikonen Fates Warning liegt eine knappe Dekade zurück. Seither gab es nur eine Stippvisite auf dem "Rock Hard"-Festival. Insofern hätte man von einer gut gefüllten Live Music Hall ausgehen können. Tatsächlich aber hätte für die rund 350 Erschienenen - leider, leider - auch der direkt benachbarte Club Underground ausgereicht. Am Vortag in Ludwigsburg waren es laut Tourmanager sogar nur rund 250 Besucher gewesen. Das mag mit daran gelegen haben, dass Fates Warning keine aktuelle Veröffentlichung am Start haben, wenn man vom "No Exit"-Re-Release absieht. Wie auch immer - weder Band noch Publikum ließen sich den Spaß vermiesen.
Tatsächlich schien die Band sogar ehrlich beeindruckt von der Sympathiewelle, die ihnen ab dem Verklingen des unheilvollen "You Are Disconnected"-Intros entgegen schlug. Der bemützte, nicht eben als Bühnenplauderer verschriene Fates Warning-Boss Jim Matheos bedankte sich sogar ausdrücklich für den Support, angesichts der Tatsache, dass man so lange nicht da gewesen sei. Der Saitenhexer taute im Laufe des Abends immer mehr auf, bis sich schließlich sogar mal ein Lächeln auf seine in diesem Moment erstaunlich jung wirkenden Züge verirrte. Interessant, wie viel Anteile Matheos dem für die Tour zurückgekehrten Frank Aresti und dessen cremefarbener Les Paul überließ. Die beiden bedankten sich für das Vertrauen mit einigen der stärksten Soli des Abends.
Ray Alder (u. a. auch Engine, Redemption) entpuppte sich schnell als einer der charismatischsten und sympathischsten Sänger unserer Tage. "We’ll try to play as long for you as we may - Dankeschön" war nur eine seiner einheitsfördernden Ansagen. Darüber hinaus war er nahezu perfekt bei Stimme, so dass sich bei Kompositionen wie der Einheitshymne "One" Ganzkörpergänsehaut einstellte. Der folgende knallende Bass-Einsatz von Joey Vera (u. a. auch OSI, Chroma Key, A Chinese Firedrill, Frost) verriet, dass auch dem Fates Warning-Klassiker "A Pleasant Shade Of Gray" die wichtigsten Passagen gegeben werden sollten - Kultalarm. Auch Meisterdrummer Bobby Jarzombek (u. a. Rob Halford, Riot, Spastic Ink, Demons & Wizards, Painmuseum) erfüllte den eigentlich nur teilweise beneidenswerten Job, die Legende Mark Zonder (heute: Slavior) zu ersetzen, mit großem Einsatz und Akkuratesse.
In Summe war dies an diesem Abend schlicht die beste Band der Welt, die auf das geneigteste Publikum stieß. Zu "Eleventh Hour" brach Letzteres sogar in spontane und tatsächlich wohlklingende Chöre aus - nicht eben selbstverständlich bei Prog-Konzerten. Ein Ernst gemeint klingender Dank von Ray Alder an Pagan’s Mind rundete das für Schreiberling und Lichtbildkünstler schönste Einzelkonzert des Jahres mit nochmals weiteren Sympathiepunkten ab.
Disconnected 1
One
A Pleasant Shade Of Grey III
A Pleasant Shade Of Grey IV
Another Perfect Day
Life In Still Water
Island In The Stream
A Pleasant Shade Of Grey VII
Eleventh Hour
Point Of View
Still Remains
Stranger (With A Familiar Face)
A Pleasant Shade Of Grey XI
Silent Cries
Nothing Left To Say
Monument