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Gesehen! Hamburg Blues Band / 22.01.2009, Bonn, Harmonie
Zu guter Wein und Straßenstaub
Text / Live-Fotos: Klaus Reckert
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Vor ziemlich genau einem Jahr hatten sie in gleicher Besetzung und mit neuen Songs an Bord bereits die Harmonie gerockt. Jetzt war sogar die seit einem Jahr bänglich erwartete neue Studio-CD mit im Gepäck. Gemeinsam mit belebenden Getränken und zahlreich erschienenen Bluesfreunden konnte also eigentlich nichts schief gehen. Und tat es auch nicht. Im Gegentum: Die Harmonie war so gepackt voll, dass sich Gert Lange, Rhythmusgitarrist, Sänger, Kappenträger und Impressario der Formation nach Entern der Bühne erst vergewissern musste: "Seid Ihr echt?".
Nachdem dies zu allseitiger Zufriedenheit geklärt schien, holte die Band den "Rocking Chair" heraus, gefolgt vom programmatischen Klassiker "Make My Day" - immer noch ein Highlight jedes Hamburg Blues Band-Auftritts. "Der Wein ist einfach zu gut, Kollie", wandte sich Gert sodann an den diensttuenden Hausherren Wolfgang Koll, der offensichtlich backstage ein besonders schmackhaftes Tröpfchen zur Stimmbandpflege bereitgestellt hatte. Umso schwungvoller geriet nach der traditionellen Würdigung des 2004 verstorbenen Bandmitglieds und Saxophon-Gotts Dick Heckstall-Smith der "Trouble Man".
Das groovige "Bad To The Bone" brachte aktuelles Material und eine wunderschöne Resonator-Gitarre an den Start. Hinreißend auch wieder die vom Bassisten Michael Becker geführten Hintergrundchöre, bei denen die Band der Muppets Show vor Neid erblassen dürfte. Für viele dürfte die Hamburg Blues Band die wohl sympathischste Bluesband der Welt darstellen (neben Das Dritte Ohr - gibt es die eigentlich noch?). Nicht untypisch war es daher, dass Michael während des ganzen ersten Sets ein Anlächel-Ding mit einem ca. sechsjährigen Mädel in der ersten Reihe am Laufen hat. Hier wird eben etwas für den Blues-Nachwuchs getan! Gerade beim neuen Material fällt auf, wie phantastisch inzwischen Keyboarder Adrian Askew in den Ensemblesound integriert ist. So steigerte sich der verschmitzt griemelnde Hutträger hier in intime Dialoge zwischen warm solierenden Synth-Klängen und der verhallten Gibson ES von Clem Clempson (u. a. Colosseum, Humble Pie, Strange Brew, Rough Diamond, Roger Chapman's Shortlist, Jack Bruce And Friends).
"This Can't Last Forever" stammt ebenfalls von der neuen Scheibe "Mad Dog Blues". Den Text steuerte Pete Brown bei, Autor von u. a. "White Room", "Sunshine Of Your Love". Weiter ging’s mit dem traditionell daherkommenden "It Sure Ain't Right", bei dem Clem sehr achtbar über Michaels fröhlichen Walking Bass singt und einer herrlich alt aussehenden Les Paul prächtige Slide-Klänge entlockt. Grundsätzlich ist eine der vielen Hamburg Blues Band-Stärken auch, dass sämtliche Bandmitglieder starke Stimmen haben, was in entsprechend viel Abwechslung beim Leadgesang und immens satten Hintergrundchören resultiert.
"Wer hätte gedacht, dass wir auch mal einen Kuschelrocker zustande bringen?" Gert lieferte den Beweis jedenfalls gleich nach: "Into The Night" hebt mit einer simplen, aber wunderschönen Rhythmusgitarren-Figur und wirklich antörnenden Lyrics (wieder von Pete Brown) an: "Rain in my wallet ... my mirror can't see ... guess we've been stacking up too many low scores". Mit "Dust In My Trees" stieg hier auch just der Straßenstaub auf, der von einem Schreiberkollegen sehr nachvollziehbar mit dem Sound der Hamburg Blues Band assoziiert wurde: Eine derart gekonnte Mischung von hartem Bluesrock, Jazzanklängen und einfühlsamen Soul gepaart mit totaler Glaubwürdigkeit dürfte derzeit in der Szene einzigartig sein. "Hold Back" läutete wie schon im vergangenen Jahr das Ende des ersten Sets ein, hatte aber heuer mit Verstimmungen zu kämpfen.
Beim Pausenschwatz mit dem langjährigen Merch-Mann André "Butschi" Bünning bestätigte dieser den Eindruck, dass die Band selten gelöster und gutdraufiger zu erleben war als gerade jetzt. Was sie auch beim 2. Set weiter einlöste. Gaststar "The Voice" Chris Farlowe (u.a. Colosseum) dominierte jetzt das Geschehen. Auch er hat mit "Hotel Eingang" eine neue Veröffentlichung, die es zu würdigen galt, etwa mit "Fog Down The Highway". Wie immer sprach und sang der unausrottbare Schwerenöter dabei sogleich das (weibliche) Publikum direkt an und machte mit seinem Scat-Gesang die Gitarristen auf der Bühne zeitweise arbeitslos.
"Don't Wanna Sing The Blues" lud das Publikum zum Mitmachen ein, "Shaky Ground" hatte abermals fast Motown-Qualitäten. Ausnahmsweise mal recht platt kam "Don't Wanna Love You" über die Rampe, wohingegen "Hard To Get Along With" mit einem satten "La Grange"-Lick und abermals wonnigen Hamsterchören bezauberte. Chris ist ein charismatischer, legendärer Sänger, aber das erste Set ohne ihn war sogar noch stärker. At any rate: Hamburg Blues Band ruled again.