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Gesehen! Hamburg Blues Band feat. Clem Clempson und Chris Farlowe / 24.01.2008, Bonn, Harmonie
Der HB(B)-Mann ist glücklich
Text / Live-Fotos: Klaus Reckert
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Soweit man das von hier unten beurteilen kann, ist HBB-Sänger Gert Lange heute ein glücklicher Mann: Prächtig laufende Tour zum 25-jährigen Jubiläum der Band, ein ausverkauftes Haus in Bonn. Trotz der wohl kurzfristigen Trennung vom langjährigen Weggefährten und Gitarristen Alex Conti. Dafür aber steht und rockt an Gerts Seite, zumindest während der Wintertour, der pure Blues- und Jazzrock-Kult: Dave "Clem" Clempson (u. a. Colosseum, Humble Pie, Strange Brew, Rough Diamond, Roger Chapman's Shortlist, Jack Bruce And Friends) und Chris Farlowe (u.a. Colosseum, John Henry Skiffle Group, Norman Beaker Band)!
Gert kennt Clem, der 1975 ursprünglich den scheidenden Ritchie Blackmore bei Deep Purple ersetzen sollte und den viele als Colosseum-Gitarristen in ihrem Plattenschrank stehen haben, über dessen Bandkollegen bei letztgenannter Formation: Die Saxophon-Legende Dick Heckstall-Smith. Dick war bis zu seinem Tod im Dezember 2004 bei der Hamburg Blues Band. Und nun spielt nicht nur Dicks alter Gitarrist bei den St.-Pauli-Bluesern. Mit Chris Farlowe übernimmt auch Colosseums nicht minder legendärer Sänger einen Part auf der diesjährigen "Mad Dog Blues"-Tour. Offensichtlich haben die prominenten Gäste auch auf dem namensstiftenden neuen Album mitgewirkt, das aber leider noch nicht erhältlich ist. Doch was hier live und vorab geboten wird, ist schon einmal aller Ehren wert.
Gert begrüßt das Publikum ("Die Harmonie war immer geil für uns"), erläutert superknapp das Fehlen Contis ("ist nicht dabei, das ist auch schon alles, was dazu gesagt werden soll"), ordnet Clem in diesem Zusammenhang ein ("einer der größten Gitarristen der Welt") und stellt herzlich den weiteren Neuzugang Adrian Askew (u.a. ex-Elephant) an den Keyboards vor. Was sodann fröhlich über die Harmonie hereinbricht, ist sicherlich eine der tightesten, spielfreudigsten, vielseitigsten und coolsten Blueskapellen, die heutzutage überhaupt irgendwo für Geld zu sehen sind. Dabei ist einerseits auffällig, wie uneitel hingerissen der selbst eine mehr als amtliche Rhythmusgitarre spielende Gert von Clem C. ist: Permanent beobachtet er diesen, spielt auf ihn zu, liebt ihn mit den Augen… Andererseits drängt sich die Erkenntnis auf, dass Bandgründer Gerts zunächst etwas arg vernuschelt wirkende Stimme tatsächlich ungemein flexibel und einfühlsam eingesetzt ist. Bei Stücken, wie der alten Peter Green-Nummer "Rattlesnake Shake" klingt diese ernstlich nach dem Original. Mit viel hinterlegtem Hall und nur wenig geöffneten Lippen setzt er den Gesang oft als ein weiteres Instrument ein.
Mit "It Ain't Right", auf dem der Gitarrist von der Insel auch singt, ist auch brandneues Material im Programm. Das folgende, ultramelodische "Make Love Strong" hat ausgesprochene Airplay-Qualitäten. Nicht endenwollend und - wenn es nach dem Publikum ginge - auch nicht endensollend entwickelt sich "On My Way Home" zu einer Groovewolke, aus deren Schwaden dank Clempsons Saitenzaubereien Quicksilver Messenger Service-Jams ebenso aufzublitzen scheinen wie eine unlangweilige Fassung der Grateful Dead. Überhaupt stellt sich beim gesamten Auftritt bei aller spieltechnischen Finesse und Rasanz nicht zuletzt durch das Wirken der aus Michael "Bexi" Becker (Bass und starke Backing Vocals, u. a. Spooky Tooth) und Hans Wallbaum (Drums, u.a. Stoppok) bestehenden Rhythmussektion ein wunderbar fließendes Laid-Back-Gefühl ein.
Mit dem raubeinigen Rocker "Hold Back" geht es nun in die Pause, deren Ende vom Auftritt des 77-jährigen Chris Farlowe markiert wird. Der geborene Entertainer beklagt sich in komischer Verzweiflung beim alsbald dauerkichernden Publikum über die ihn plagende Grippe, das Gläserklirren ("nichts ist in Ordnung"), die Band ("die kennen 'Lost Angeles' gar nicht, sonst würde ich es ja singen"). Obwohl man vorher rein gar nichts vermisst hat, setzt der soulige, teils Scatgesang bemühende Vortrag des großen Briten nochmals neue Akzente für ein ohnehin schon bemerkenswert kurzweiliges Konzert. Das sich selbst Lügen strafende "Don't Wanna Sing The Blues", das sich langsam wiegende "Peace Of Mind" und "Shaky Ground" bereiten das Feld, bis T-Bone Walkers "Call It Stormy Monday" die Interpretationen von Colosseum, aber auch der Allman Brothers heraufbeschwört. Auch "I'll Sing The Blues For You" und Farlowes Hit "Out Of Time" dürfen abschließend nicht fehlen.
Vor ebenfalls ziemlich genau 25 Jahren ging das HB-Männchen noch immer unter die Decke. Doch der HB(B)-Mann scheint ruhig und rundum glücklich. Und soweit es das Publikum betrifft, hat er heute auch allen Grund dazu.