Doch, doch: Hilmar Bender hat zwischendurch auch mal was vorgelesen. Und
wenn sich einer mit der Stoppuhr hingestellt hätte, um die
Redezeit zu vergleichen wie beim Kanzlerduell - der Unterschied wäre
vielleicht gar nicht so überdeutlich gewesen. Aber angefühlt
hat sich die Tourtagebuch-Lesung dennoch wie die "Uhlmann Late
Night". Mit Bender als Sidekick.
Mit
der Erklärung von Thees' Erzähljoker fängt es schon
an. Die Regel des Abends: Wenn Uhlmann reden will, muss er seinen
Joker bringen, ein kleines, batteriebetriebenes Blaulicht. Drei Mal
am Abend sind erlaubt. Es dauert keine fünf Minuten bis zum
ersten Einsatz. Zwei Stunden später glühen die Ohren von
den Geschichten, für die das Wort "Anekdote" zu sehr
nach Familienfest klingt. Die Hillu-und-Thees-Lesung ist eher
WG-Küche. Oder Kleinkunsttheater: Bühne und Publikum,
Scheinwerferspot statt Lightshow, das Gewölbe unter der Erde, im
Veranstalterdeutsch "teilbestuhlt". Ein Tisch, ein
Aschenbecher, eine Flasche Rotwein (später zwei), Leinwand,
Laptop, Zigaretten und vier Jahre Tomte-Ochsentour zwischen Köln
und Neustrelitz und Hamburg und Wien. Und dem AJZ Talschock. Clubs
ohne Klo, Bowies AAA-Pass im Schlamm, Königinnenwinken von
Mutter Uhlmann und die kleinen Stories aus dem Lokalteil: Der
entrückt tanzende Oasis-Fan von früher, der heute Abend
wieder da ist. Die mit regionalem Idiom vorgetragene Publikumsfrage,
was sich Thees von der Zukunft der deutschen Popkultur "erwartet
und erhofft" (erstaunlicherweise leichter zu beantworten als die
Frage, wie er auf die Hammerhead-DVD geraten sei).
Die
Listen ernten den stärksten Beifall: "Top 5 Tiere im
Münsteraner Zoo". "Top 5 Konzertbesucher in
Ostdeutschland". Wie Olli Schulz ein paar Tage später am
gleichen Ort improvisiert Thees den nächsten Rammstein-Song. Das
scheint ein beliebter Spaß im Grand Hotel zu sein. Dreieinhalb
Stunden können so kurz sein. "Hillu" Bender sieht
manchmal etwas entnervt aus, aber das kann täuschen, liegt
vielleicht am Scheinwerferlicht. Genau wie das einen Augenblick lang
etwas bleiche Gesicht von Thees. Gitarrespielen hilft offenbar auch
dagegen. Thees singt, Publikum lauscht, Hillu blättert im Buch
oder zündet eine neue Kippe an. Die Umstellung vom Kabarett zum
Konzert ist jedes Mal etwas schroff, gerade schmerzte noch der Bauch
vor Lachen, jetzt spielt Thees inbrünstig. Und kaum hat man
begonnen, in einem Song zu baden, gehen die Stories wieder los. Da
merkt man, was eigentlich während eines Konzertes am Stück
mit einem geschieht.
Spätestens
mit den traurigen Geschichten von den zwei überfahrenen Hunden
ist jeder im Raum weich gekocht. Als Thees etwas zu Emsdetten sagt,
kippelt die Atmosphäre etwas, es geht beinahe in die Hose.
Ansonsten aber Lachen und Kichern über Schwänke wie den von
Reimer Bustorff, der mit einem missverstandenen Scherz ("reiches
Schauspielerschwein") Til Schweiger aus einem Backstage-Raum
rausmobbte. Die Dinger, die Thees zum Besten gibt, doppeln sich nie
mit dem Inhalt des Buches. Und das ist wahrscheinlich nicht mal
abgesprochen. Man merkt: Was in nur einem Jahr auf Tour passiert,
reicht für zehn Bücher. Hillu, übernehmen Sie.