Aktuelle Konzerttipps gibt's jede Woche im Newsletter!
Gesehen! Joe Bonamassa / 04.12.2008, Köln, Kantine
Beifall noch im Treppenhaus
Text: Klaus Reckert Live-Fotos: Pressefreigaben
"The guy is growing and growing, and not only saleswise" - dieser Einschätzung des
sich mit 31 Jahren schon auf Legendenstatus einschießenden Bluesrockers Joe
Bonamassa musste seitens POP FRONTAL nachgegangen werden. Schon nach dem Hören des aktuellen
Live-Albums hatten auch wir uns zu Jubelstürmen hinreißen lassen ("Das beste live
aufgenommene Blues-Doppelalbum seit Anno Tubak!"). Und soviel vorab: Die Vorschusslorbeeren
standen dem New Yorker ganz ausgezeichnet.
Obschon nirgends eine Vorgruppe angekündigt worden war, wird das seit langem ausverkaufte Konzert in der reizvollen Kantine von einem Blues-Akustik-Duo eingeleitet. Dessen Name war leider nicht zu recherchieren (geschweige denn in der wirklich brechend vollen Halle zu verstehen), doch die beiden deutlich angejahrten Herren bringen das Publikum u. a. mit Standards von John Lee Hooker und Muddy Waters mühelos auf Betriebstemperatur. Ihren roots-geprägten Auftritt werten sie mit teils recht frickeligen, längeren Soli so auf, dass das Bonamassa erwartende Publikum sogar eine Zugabe fordert. Und erhält.
Umbau, Genuss von Ellenbogen und Konversationen der Nahebeistehenden. Und von Pausenmusik. Es gehört schon einiges an Selbstvertrauen dazu, direkt vor dem Auftritt und laut aufgedreht, quasi als Intro, "Where Were You" von Gitarrenmesslatte Jeff Beck zu verwenden. So aber hier geschehen. Spätestens nach "Bridge To Better Days" mit seinem gekonnt eingebetteten Deep Purple-Part aber fressen wir alle Mr. Bonamassa sowieso aus der Hand.
Beim allerersten Eindruck wirkt dieser eigentlich nicht mal besonders sympathisch: mit der Sonnenbrille, die er ständig aufbehält, der Gitarrengottgestik mit steil erhobener Griffhand während Tapping-Orgien, etc. Seine freundlichen, ehrliche Begeisterung verratenden Ansagen aber korrigieren dieses Bild schnell: Er scheint sich noch richtig darüber freuen zu können, dass letztes Jahr 700 Menschen zu seinem Kölner Konzert gekommen sind und die Kantine heute den Ansturm von 1.000 Besuchern so gerade noch verkraften kann. Außerdem lässt er seinen (großartigen) australischen Keyboarder kräftig hochleben, der heute Geburtstag hat. Auch auf die Leistungen seiner übrigen Mitstreiter an Bass und Schlagzeug kann Joe B. stolz sein.
Weiter mit "So Many Roads" mit vom Start weg auffallend gutem Gesang. Neben dem wirklich beeindruckend virtuosen, ausdrucksvollen Gitarrenspiel ist die relativ hohe, klare und tragfähige Stimme fernab der Blues-Klischees wohl das zweite Markenzeichen Bonamassas. Seit er eine neidweckend schöne Les Paul Gold Top hervorgeholt hat, ist der Sound nochmals besser geworden. "India" - eine innige Gitarren-Meditation und faszinierende Vermischung von "blue notes" und orientalischer Harmonik - beweist abermals die enorme Vielseitigkeit dieser Truppe.
Erholungspause von der Reizüberflutung durch traumschöne Musik und durch harte Ellenbogen an der zweiten Theke der Kantine. Ein vertrautes Gesicht. "Willst Du erkannt werden oder lieber nicht?" Lächelnd: "Das lässt sich in Köln doch sowieso nicht vermeiden". Dies sagt Klaus Heuser alias "Major Healy". Als der Rezensent zur Schule ging, waren BAP eine Macht (und noch nicht peinlich, wie heute) und der Major noch dabei. Und damals war er für uns Kids ein Gitarrengott. Der Major selbst macht auch heute noch nicht viel Aufhebens um sich, nimmt gerade selbst wieder (klassischen) Gitarrenunterricht und arbeitet an einer "völlig neuen Band", zu der er den Sänger schon gefunden zu haben glaubt. Und geht offensichtlich weiterhin gerne auf Konzerte von Musikern, die ihn interessieren.
Auf dem Rückweg in den großen Raum fällt auf, dass inzwischen noch mehr Menschen das auffallend starke Gedränge dort lästig finden. Die rocken jetzt einfach im Treppenhaus mit, in dem nach einer besonders innigen Version von "Sloe Gin" tosender Applaus erschallt. Well done, Joe! Der nächste Karriereschritt ist übrigens auch schon absehbar: Im Mai nächsten Jahres wird Joe die altehrwürdige Royal Albert Hall rocken.