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Gesehen! Misty's Big Adventure / 22.11.2005, Hamburg, Schilleroper
Von schreienden Damen und tanzenden Händen
Text: Mikel Plett
Auch wenn an diesem kalten Novemberabend die Hamburger Weihnachtsmärkte öffneten, mit
ödem Kunsthandwerk, leckererem Weihnachtsgebäck und feiner Feuerzangenbowle lockten -
die Entscheidung bei der Abendgestaltung fiel nicht besonders schwer. Lediglich die alkoholischen
Heißgetränke wären in der Schilleroper sicherlich gut angekommen, besonders warm
wurde es angesichts von nur ca. 20 Konzertbesuchern nämlich nicht. Dafür heizten die
britischen Weirdo-Popper von Misty's Big Adventure wenigstens sich selbst ordentlich ein.
Da im Vorfeld ja schon viel über die unglaubliche Livepräsenz dieser Band gemauschelt wurde, waren
die Erwartungen an das 9-Personen-Orchester natürlich hoch und wurden an diesem Abend nicht enttäuscht.
Sänger und Mastermind "Grandmaster Gareth", der unter anderem auch für die Streicherarrangements
der PRAM-Alben verantwortlich ist und - als wäre das allein nicht schon Referenz genug - das neue
Jeffrey-Lewis-Album produziert hat, ruhte als konstanter, Kette rauchender Pol in der ansonsten zuckenden und
hüpfenden Menschenmenge aus Drummer, Saxophonistin, Keyboarderin, Bassist, Gittarist und Trompeterin. Nicht
unerwähnt bleiben darf natürlich der Tänzer, der im blau-roten, mit unzähligen Händen
behangenem Umhang die Songs choreographisch untermalte.
Zu hören gab es aber nur wenig ältere Titel, stattdessen wurde beinahe das gesamte neue Album "The
Black Hole" zum Besten gegeben. Oft klang es ein wenig nach Kinderfilmvertonung, was dort von der Bühne
schallte. Immerhin waren die optisch bedingten Assoziationen mit der Muppets Show nur schwer von der Hand zu weisen.
Stimmiger Orchesterpop hätte als Charakterisierung wunderbar herhalten können, wären da nicht die
vielen herrlichen Abschweifungen in psychedelische Sphären und krachige Klanggewitter gewesen. Von einem Moment
auf den nächsten verwandelten die Damen und Herren aus Birmingham Melodien in brachiale Soundwände,
getragen von den alles nieder bretternden Detonationen der Drums, durchschrieen von den weiblichen Bandmitgliedern,
vom hüpfenden Maskierten in physische Entladungen übertragen, gefeiert vom Publikum. Einzig Frontmann
Gareth blieb unbeeindruckt, während er auf seinen Einsatz wartend die nächste Zigarette anzündete.
Definitiv nicht der diesjährige Weihnachtsbaum-Soundtrack, dafür ein absoluter Muss-Termin in den Kalendern
aller, die eine bunte, zeitlose Wundertüte an reich instrumentierten und ironisch in Szene gesetzten Rock-
und Popsongs zu schätzen wissen. Dass dabei die Grenze zum Kitsch bisweilen mehr als überschritten wird,
wen könnte das angesichts einer tanzenden Hand denn wirklich stören?