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Gesehen! ProgPower Europe Festival 2005 / 1. Tag: 01.10.05, Baarlo (NL), JC Sjiwa

Progfever

Text: Klaus Reckert      Live-Fotos: Stephan Kunze

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Trotz einiger weniger Rückschläge künstlerischer Natur und unvollkommener Kondition seitens des Rezensenten demonstrierte das diesjährige ProgPower Europe die grundsätzlich positive Weiterentwicklung des gar nicht mehr so kleinen und dabei immer feiner werdenden Festivals in Baarlo, Niederlande. Was die Besucherzahlen angeht, dürfte das PP in diesem Jahr den Durchbruch geschafft haben: Im Gegensatz zu den Vorjahren war die mittelgroße Mehrzweckhalle diesmal schon ab mittags ordentlich bis spektakulär gefüllt. Und noch mehr Publikum, als es zu den jeweils (vor-)letzten Bands anwesend war, ist in der Halle vermutlich ohnehin ohne Luftabsaugung kaum unterzubringen. So bedankte sich die Fangemeinde wohl vor allem für ein abermals ausgewogenes, teils erfreulich überraschendes Billing.

Epica

Epica

Erstmals waren wir sogar schon am Vortag des Festivals angereist, also zum seit einigen Jahren angebotenen "Burn-in" Mini-Festival auf der kleinen Kellerbühne des Jugendzentrums. Was sich allerdings nur teilweise bewährte. Zwar gestattet ein solcher Vorabend natürlich in größerer Ruhe einen Schwatz mit den Veranstaltern und mit teils seit vielen Jahren in Baarlo anzutreffenden PP-Veteranen. Die musikalischen Gäste des Abends aber kamen wohl nicht nur bei uns weniger gut an: Die niederländischen Timeline hatten nicht nur unter der konkurrierenden (irren) Lautstärke der Techno-Disco im Nebenraum zu leiden, sondern auch unter Soundproblemen, starken Verstimmungen zwischen Gitarre und Keyboards sowie dem generell unseligen Wirken ihres Sängers. Das ist schade, denn etliche der Stücke präsentierten tolle Ideen: besonders die Anfänge waren häufig wirklich vielversprechend, nur um alsbald wieder zerpflückt zu werden.

Die italienischen Mind Key hatten zumindest den Vorteil, sich auf eine unüberhör- und -sehbare Fanbase stützen zu können, die sich teils lustig bis karnevalistisch verkleidet hatte, sich zu Stücken wie "Eye Of A Stranger" schier die Hände blutig zu klatschen drohte, kleine Polonäsen im Publikum aufführte, etc. Neben diversen Cover-Versionen (Toto, Dream Theater, aber auch Whitesnakes "Still Of The Night") fiel besonders "Lord Of The Flies" mit seinem starken Reggae-Teil positiv auf. Soweit das der Gesundheitszustand des Berichterstatters eben zuließ. Während die Umstehenden nur mehr oder weniger vom Prog-Virus befallen erschienen, ließ es sich nun nicht mehr verhehlen, dass der Rezensent sich ein beharrlich steigendes Fieber eingefangen hatte.

Das wir ab Samstagmittag mit dem ProgDeath von Disillusion aus Leipzig zu behandeln versuchten. Dass es zu keiner Spontanheilung kam, lag eindeutig nicht an der nach einem Orchesterintro vom Band gebotenen, so eigenständigen wie phantastischen Mixtur aus Thrash und Death sowie Prog Metal. Von Konserve kam bei diesem Trio wider Willen neben den Keyboards auch der übrigens hervorragend (von Sänger/Gitarrist Vurtox) gespielte Bass, was bei der komplexen, breakreichen Musik nicht zuletzt gewaltige Anforderungen ans Timing stellt. Ohne dass das Disillusion zu beeindrucken schien, die mit viel echt wirkender Spielfreude das Allerbeste aus der Situation machten. Sehr viel besser mit der Band vertraute Disillusion-Fans teilten uns freundlicherweise mit, dass man auf der Tour mit Dark Suns mit diesen gemeinsam zu acht auf der Bühne gestanden habe. Leicht vorstellbar, dass die epischen, teils symphonischen Passagen von "Alone I Stand In Fires" oder "Back To Times Of Splendor" so nochmals stärker rüberkommen. Ohne dass dem Publikum in Baarlo irgendetwas zu fehlen schien. Im Gegenteil: Ein Stück wie "The Sleep Of Restless Hours" wirkte live wie eine entfesselte Mischung aus Gamma Rays "Heading For Tomorrow" (enorme Steigerung) mit der Energie von Bloodbath. Und wurde entsprechend gefeiert.

Langsam schien das Blut den dumpfen Schädel in eine Art Schnellkochtopf zu verwandeln, auch das führte dazu, dass der Quengelgesang (dem Vernehmen nach nicht vom etatmäßigen Sänger. Zugegeben) und biedere Pomprock von Anubis Gate (als Ersatz für Novembers Doom) nicht lang über das Intro hinaus zu ertragen war.

 

 

Auch bei Throes Of Dawn kamen die Keyboards vom Band, überdies nutzte das Quintett erstmals die neuen multimedialen Möglichkeiten, die sich durch den großen Bildschirm rechts von der Bühne ergeben. Zu Videozuspielungen wie Metzeleien aus den Schützengräben des ersten Weltkriegs, Szenen aus Isolationszellen, herumkriechende Würmer, fiese Insekten und Injektionsspritzen tischten die Finnen teilweise stark an My Dying Bride erinnernden Gothic Metal "mit Eiern" auf. Für etwas mehr Wärme sorgten dabei die verschlungenen, zweistimmigen Linien der beiden Les Paul-bedienenden Gitarristen.

Die israelischen Folk Metal-Grenzgänger von Orphaned Land bildeten für viele PP-Besucher einen, wenn nicht den Höhepunkt zumindest des Festivalsamstags. Sie sehen gut aus (wie uns gerade mehrere weibliche Progfans überdeutlich zu verstehen gaben), sind vielseitig, virtuos, wirken dabei aber nicht abgehoben, sondern immer positiv von den Publikumsreaktionen überrascht. Großes Kino war das mit Gast-Grunzer Paul Baayens von der niederländischen Death-Institution Thanatos gebotene Duett und die sich nahezu spontan ergebenen "audience participation parts". Insgesamt ein erfrischender Auftritt, bei dem die (allein schon aufgrund der hier verwendeten zig Instrumente) größere Komplexität der CD-Versionen von z.B. "Mabool" nicht vermisst wurde. Zumindest die einheimischen Fans waren endgültig von den Socken, als zum Abschluss sogar in relativ gut verständlichem Niederländisch der Schmachtfetzen "En Eigen Huis" von Rene Froger gebracht wurde. Ein nicht unpassender Beitrag seitens einer Band, die sich wirklich glaubwürdig für die israelisch-arabische bzw. palästinensische Völkerverständigung einsetzt.

Green Carnation bleiben eine sichere Live-Bank. Auch sichtlich gezeichnet von einer strapaziösen Autoanreise, auch mit personellen Umbesetzungen und einem eher schwächeren aktuellen Album konnten die Norweger nach kurzer Eingewöhnungsphase zu 100 Prozent überzeugen. Eine vollständige Fassung von "Light Of Day - Day Of Darkness" gab es zwar nicht, dafür aber knackige Versionen von u.a. "Just When You Think It's Safe", "The Quiet Offspring" (definitiv stärker als von Platte), "The Boy In The Attic" (sehr eindringlich) oder "Into Deep". Schade nur für Tchort & Co., dass auch dem Soundmann vor Begeisterung die Regler entgleisten und der Livesound unerträglich laut geriet.

Den folgenden versöhnlichen bis süßlichen Tönen von Epica fühlte sich unsereiner leider schon rein körperlich nicht mehr gewachsen. Vertrauenswürdige Gewährsleute berichten jedoch von einem u.a. von zahlreichen Ventilatoren geprägten Auftritt von Mark Jansen (ex-After Forever) und Mezzosopranistin Simone Simons, bei dem allerdings irritierte, dass sämtliche Kommunikation mit dem wie immer recht internationalen (nämlich diesmal aus 19 Ländern kommenden!) Publikum nur auf Niederländisch geschah.

 

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Links:

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Disillusion

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Anubis Gate

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Throes Of Dawn

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Orphaned Land

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Green Carnation

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Epica

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