Der zweite Festivalhaupttag begann mit dem bislang vollsten PP-Auditorium für
eine Eröffnungsband, einem minimal verkatert wirkenden PP-Veranstalter René
Janssen sowie einer zünftigen "Morgenröte". Den Vorschusslorbeeren
für das niederländische The Aurora Project zufolge
sollte dieses Anklänge von Pink Floyd, Porcupine Tree, Tool (!) und Anathema
aufweisen. Das noch sehr junge Sextett aus Katwijk polarisierte schon durch das
Bühnenbild: Für manche waren die Science-Fiction-Film-Zitate, White
Noise aus Fernsehern auf der Bühne neben Kerzenständern sowie der Gastauftritt
einer deutlich bejahrteren Querflötistin das wahre Evangelium, andere flohen
vor diesem "Gähnquark". Denn sehr gesetzt blieb der gesamte Auftritt
einer nicht uninteressanten Band, bei der noch am ehesten die relativ dünne,
hohe Stimme des Sängers und der abermals entgleisende Sound enttäuschte.
Pain Of Salvation
Sauber und druckvoll geriet der Klang jedoch bei Dynamic Lights
aus René Janssens eigenem Labelstall DVS Records. An Dream Theater geschulte
Heavy-Riffs, häufige Tutti-Läufe des gesamten Ensembles und der enorm
versierte, bisweilen geradezu swingende Drummer ließen die Italiener als
bislang technischste Prog-Vertreter im Billing erscheinen. Doch auch Didgeridoo-Intros
sowie ganz stille Momente waren im Programm, als etwa für "In The Hands
Of A Siren" die Schwedin Jamina Jansson zum ersten Mal live auf der Bühne
den Part sang, den sie dank moderner Studiotechnik auch auf dem Debütalbum
der Band schon hatte beigesteuern können.
Nach diesem Technikprog erschien der recht simpel gestrickte Rock von Cloudscape,
mit dem sie laut Ansage ihren ersten Gig außerhalb von Schweden bestritten,
natürlich deutlich bodenständiger. Das hätte noch weniger gestört
als das Dauergepose des Sängers sowie die Quietschkeyboards von Konserve,
die besonders bei "Reaching Out" ernstlich irritierten. Offensichtlich
war eines der 2005er Auswahlkriterien für Bands gewesen, dass man "Still
Of The Night" spielen kann, denn auch diesen alten Klopfer brachten Cloudscape
noch zu Gehör.
Leichtes Fieberdelirium verhinderte nun zugegebenermaßen eine tiefere Beschäftigung
mit dem schnellen Prog/Power Metal von Pagan's Mind. Mitzubekommen
war aber auch so noch, dass der selbstverliebte Sänger Nils K. Rue in ernster
Gefahr stand, sich an seinen Haarens selbst zu Tode zu nesteln. Und dass der vom
Publikum recht begeistert gefeierten und kaum zu bremsenden Truppe am Ende des
Auftritts nahezu der Saft abgedreht werden musste, um das weitere Stage Time-Schema
nicht zu gefährden.
Die gleichfalls schwedischen Wolverine sind alte Freunde von
R. Janssen und dem PP-Publikum: Schon 2001 verzauberten sie alle mit einzigartigen
Kompositionen zwischen MeloDeath und Prog Metal. Höhepunkte eines sehr intensiven
Auftritts waren u.a. das vom hier noch unveröffentlichten Projekt "Still"
stammende "Bleeding", sowie die Duette "Hand in Hand" mit
der schon bekannten Jamina Jansson und "Towards Loss" mit dem Grunztalent
Peter Rudberg, Nachbar von Wolverines Stefan Zell. Vor allem aber natürlich
"His Cold Touch", dem Wolverine-Meisterstück.
Schade, dass nach einem der bislang insgesamt erfreulichsten PP-Tage nun ausgerechnet
das Warten auf Pain Of Salvation zu einer argen Geduldsprobe
geriet. Die schwedische Wundertruppe um Daniel Gildenlöw war schon zum Soundcheck
am Sonntagmorgen nicht erschienen, kam auch spät an der Halle an (da sich
POS-Boss Gildenlöw nicht wohl fühlte) und verweigerte nun den Auftritt,
da u.a. die allerspätestens zum aktuellen multimedialen "Be"-Konzeptalbum
gehörenden Projektionen zunächst nicht funktionierten. Das Publikum
bekam davon aber nur mit, dass es anderthalb Stunden in der Halle eingequetscht
und nur von wenigen konfusen Ansagen informiert auf die Festival-Headliner warten
musste. Und so wartete man und wartete, der mit seiner Landesfahne allgegenwärtige
Prog-Fan aus Australien vom Dienst ebenso wie die Labelchefs von InsideOut und
Tempus Fugit, wie der extra zum POS-Auftritt erschienene Arjen A. Lucassen (ex-Vengeance,
Ayreon, Ambeon u.v.m.), wie Metal Mike von der wohl wichtigsten niederländischen
Rockmusikzeitschrift Aardschok usw. Auch der Veranstalter war verzweifelt über
die Technikprobleme und etwas enttäuscht von der auf jedes Technikdetail
beharrenden Band: "Vor vier Jahren waren sie noch nicht so" (POS hatten
bereits beim PP Europe 2001 gespielt, auch hier war der Sänger allerdings
schwer unpässlich gewesen).
Als die Band dann um 23 Uhr doch noch auf die
Bühne kam, tat sie dies mit einer wenig positiven, wenig professionellen,
in jedem Falle nicht zu einem kleinen Festival passenden Einstellung: "What
you are going to see tonight is Pain Of Salvation at its worst - is going to be
our worst gig ever". Dabei war Gildenlöw sichtlich immer noch weit mehr
mit seiner Enttäuschung über mangelnde künstlerische Selbstverwirklichung
und unauslebbaren Perfektionismus beschäftigt, als mit dem Publikum, das
so lange auf ihn und P.O.S gewartet hatte: "Zum allerersten Mal wird P.O.S.
improvisieren". Big Deal. Als sich die DVD-Einspielungen im Laufe des Auftrittes
dann doch noch zu funktionieren anschickten, zeigte sich schnell, dass die so
atemberaubend nun auch nicht sind. Wer die en detail bewundern will, hat ja vermutlich
auch die "Be"-DVD daheim in der Vitrine. Dafür aber war der Bühnensound
leider zunächst nahezu unerträglich, was aber nur neue öffentliche
Rumzickereien des Frontmannes herausforderte. Zu diesem Zeitpunkt lachen ihn der
Cloudscape- und der Pagan's Mind-Sänger, die im Thekenbereich das Konzert
verfolgen, nur noch aus, während Lucassen, die niederländische graue
Prog-Eminenz, den Saal kopfschüttelnd verlässt. Vielleicht nicht nur
wegen des zu diesem Zeitpunkt nur aus Schrilltönen bestehenden Sounds, sondern
weil es kein schönes Schauspiel ist, was Gildenlöw da veranstaltet.
Fairerweise muss zugegeben werden, dass sich der Sound im Laufe der Zeit einregeln
ließ, worauf die P.O.S.-Diva sich zwar etwas abregte, aber eine gewisse
Galligkeit bis zum Schluss nicht ablegte. So frug er etwa vor "Second Love",
einer der eindringlichsten musikgewordenen Betrauerungen, sein Publikum, wie viele
von Ihnen in Liebesdingen "immer" glücklich gewesen seien. Worauf
er die Glücksverwöhnten, die sich mit Handzeichen zu erkennen gaben,
mit sarkastischem Gelächter überschüttete. Auch die albernen Publikums-Animierspielchen
("Germany is louder than you are" - bei Auftritten in Deutschland hatte
das natürlich noch "France is louder than you are" geheißen)
wollten nicht so richtig zu Band und Umfeld passen. Wie auch immer: Etwas Bühnentheatralik
auf Schultheaterniveau, vor allem zu "Mr. Money", eine zur Abwechslung
wirklich schöne Version von "Ashes" rundeten einen dann doch noch
zweistündigen Auftritt ab, von dem sich einige P.O.S.-Fans allerdings wünschten,
sie hätten ihn lieber nicht gesehen...
PS: Winzige Verbesserungsvorschläge zu einem immer perfekter werdenden und
stets sympathisch bleibenden Event: 1. Das Konzept mit dem ruhigeren ersten und
dem heftigeren zweiten Festivaltag sollte im Sinne eines guten Mixes nicht überbetont
werden. 2. Die so genannte Lightshow war an beiden Tagen über weite Strecken
nur vom Automaten gesteuert und dementsprechend uninspiriert. 3. Es mag am Zustand
gelegen haben, aber die Oase aus Gartenstühlen wurde schmerzlich vermisst,
die letztes Jahr noch zwischen Halleneingang und Pommespuff gewinkt hatte.