Was für eine Vorfreude! Wer an diesem Montag zu den Glücklichen gehörte, die sich früh genug eine Eintrittskarte für die ehrwürdigen Sophiensäle gesichert hatten, fieberte neugierig und ein bisschen ängstlich dem Konzert entgegen. Den Auftritten der Künstlerin eilt nämlich ein Ruf von wilden Shows voraus. Dann war es soweit: Die Türen zu den charmant baufälligen, vielsagend historischen Sälen öffneten sich und ließen das Publikum hinein in den halb bestuhlten Raum. Die andere Hälfte bot Platz für einen Flügel, fulminante Töne und volle Konzentration.
Anja Plaschg alias Soap & Skin betrat leise den Saal, setzte sich ans Klavier und zog das ehrfürchtige Publikum, bunt
zusammen gewürfelt aus Kulturkennern, Studenten, Szenenasen und Künstlern, in einen magischen Bann.
Die berühmte Stecknadel hätte hier sehr laut zu Boden fallen können. Gänsehaut-Pianoklänge
spielten die poppige Rolle in dieser Aufführung, die eher Kunst als Ereignis bot. Zusammen mit Anja Blaschgs
Stimme, die so zart wie berstend, so laut wie leise, schreiend, trällernd, brodelnd, stimmig wie daneben
klingen kann, erzeugten sie einen sagenhaften Rausch. Ein Rausch, der nicht nur aus der jungen Künstlerin
heraussprudelte, sondern auch die vor Aufmerksamkeit bibbernden Zuhörern gefangen hielt. Sensationell.
Und unglaublich ergreifend verhakten sich melancholischer Pop und düstere Zerbrechlichkeit. Hier perfekt arrangiertes Klavier, dort grollende Bässe, da ein
verhuschtes Lächeln, gleich ein brachialer Aufschrei. Absolute Verausgabung auf höchst emotionalem und mentalem Niveau. Augenkontakt mit dem
Publikum? Lieber nicht. Hoffentlich geht alles gut, bangte der eine oder die andere. Auf die Frage, ob Anja Blaschg Angst habe, dass
Konzertbesucher sie hauptsächlich leiden sehen wollen, sagt die Musikerin im Missy Magazin 01/08: "Ja. Manchmal frage
ich mich auch, ob sie mich bemitleiden. Beides wäre so absurd wie ekelhaft." Mit Voyeurismus hatten die Gefühle
des Publikums an diesem Abend nichts zu tun, mit Mitleid ebenso wenig. Voller Respekt und Erstaunen starrten, lauschten und
fieberten die Menschen hier mit und fühlten sich schlichtweg beeindruckt von einem solch emotional wie künstlerisch bewegenden Auftritt.
Die Höhen und Tiefen jedes Lieds wirkten so lebendig, weniger inszeniert als viel mehr notwendig, selbstverständlich und unglaublich echt. Dabei
war in sich alles sehr perfekt arrangiert: der Flügel in kühlem Licht, das darauf stehende Macbook, das Soap & Skin
ein passendes Gegenüber bot. Genug Platz für die Künstlerin, um den Saal zu durchschreiten, sich zu
sammeln und inmitten der Bühne an einem anderen Ort ein neues Stück zu beginnen. Auch als zur Zugabe
ein Streicher zur Begleitung die Bühne betrat, hatte man den Eindruck, einem perfekten Abschluss beizuwohnen.
Die einzigen Worte, die sie während des ganzen Auftritts an das Publikum richtete, waren sehr leise
und zerbrechlich klingende "Dankeschöns". Um so lauter und berauschter schallte es vom
Publikum zurück. Danke für diesen sensationellen Abend!